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Eine Parkuhr fuer mein Pferd

Eine Parkuhr fuer mein Pferd

Titel: Eine Parkuhr fuer mein Pferd
Autoren: Helmut Sakowski
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Der Zirkus Fabunelli gibt heute nachmittag um fünfzehn Uhr auf der Wiese hinter der Kirche eine ganz und gar einmalige Vorstellung. Hinreißende Akrobatik auf dem Rücken eines edlen Pferdes, meisterhafte Gesangsimitationen und umwerfende Clownerien werden Sie begeistern. Kommen Sie, schauen Sie! Lassen Sie sich die einzigartigen zirzensischen Glanzleistungen nicht entgehen!“
Nachdem er das etwa zwanzigmal geschrien hatte, meinte Andreas: „Nun solltest du aber Schluß machen mit der Brüllerei, sonst kannst du heute nachmittag nur noch einen heiseren Hund imitieren.“
„Laß nur“, wehrte Magnus ab, „meine Stimme ist strapazierfähig.“
Sie hatten Erfolg mit ihren Bemühungen. Am Nachmittag standen an die hundert Leute auf der Wiese und warteten neugierig auf die zirzensischen Glanzleistungen. Doch bevor die begannen, gab es einen höchst unliebsamen Zwischenfall.
Ein Polizist löste sich aus der Menge, kam auf die Akteure zu, schaute sie der Reihe nach an und wandte sich schließlich an Magnus Möller. „Bitte zeigen Sie mir doch mal Ihren Wandergewerbeschein!“
„Tut mir leid“, antwortete der, „damit können wir nicht dienen.“
„So“, sagte der Polizist, „dann darf ich Ihnen nicht erlauben, hier irgend etwas vorzuführen. Ohne Wandergewerbeschein ist das Bettelei und verboten.“
„Bettelei?“ rief Andreas. „Hier wird was geleistet, Mann! Wir stehen nicht müßig an der Ecke und halten den Hut hin!“
Magnus Möller aber blieb Herr der Lage und bewahrte die Ruhe. Er schminkte sich geradezu herausfordernd gelassen den kleinen Chaplinbart an und sagte, wobei er die Oberlippe nach links und rechts verzog und schon mal auf Chaplin probierte: „Werter Herr Kollege, ich bin Student der Rechte im zehnten Semester und beschäftige mich gerade mit einem Thema über die Gewerbeordnung. Darf ich Sie über die rechtliche Lage aufklären?
Unter dem Gewerbebetrieb im Umherziehen versteht die Gewerbeordnung den Betrieb eines Gewerbes in eigener Person ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassung. Die gewerbliche Tätigkeit kann a) im Feilbieten von Waren, b) im Aufsuchen von Warenbestellungen, c) im Anbieten von gewerblichen Leistungen oder d) in der Darbietung von Musikaufführungen, Schaustellungen und so weiter bestehen, ohne daß ein höheres Interesse der Kunst oder Wissenschaft dabei obwaltet. § 55 der Gewerbeordnung.
Das Wandergewerbe darf nur aus Gründen, die öffentliche Ordnung betreffend, untersagt werden. Und die liegen hier nicht vor, wie sie genausogut wissen wie ich und meine Freunde.“
Der Polizist war über Magnus Möllers Kenntnis der Gewerbeordnung ebenso verblüfft wie Hans, Andreas und Corinna. Er fühlte, daß er sich mit diesem Mann nicht auf einen Disput über die Gewerbeordnung einlassen durfte, weil der ganz offensichtlich mehr darüber wußte als er.
„Sie müssen verstehen“, stotterte er, „daß ich nur meine Pflicht tue.“
„Das verstehen wir“, entgegnete Magnus Möller, „und tragen Ihnen nichts nach. Jeder Mensch macht mal einen Fehler.“
Der Polizist wurde rot, tippte grüßend an die Mütze und verließ die Wiese mit großen Schritten. Ein älterer Herr trat auf Magnus zu und sagte so laut, daß der Davoneilende es gerade noch hören konnte: „Er will sich wichtig machen, ist eben mit seiner Ausbildung zum Polizisten fertig geworden und spielt jetzt hier im Dorf den dicken Max. Geschieht ihm recht, daß er bei Ihnen an den Verkehrten geraten ist.“
Magnus lächelte und sagte: „Ein Polizist ist auch nur ein Mensch und kann nicht alles wissen. Los, fangen wir an!“
Hans klopfte ihm auf die Schulter und flüsterte: „Woher weißt du denn das alles?“
Magnus grinste. „Reiner Zufall. Mußte es mal für ein Bühnenstück auswendig lernen. Ich habe den Text übrigens inhaltlich etwas zu unseren Gunsten verändert.“
„Donnerwetter!“ staunte Andreas, der mitgehört hatte. „Das nenne ich Kaltblütigkeit! Ich glaube, von dir kann selbst ich noch was lernen.“
Und dann ging es endlich los mit dem Programm.
Alles lief gut, und sie nahmen einhundertundsiebenunddreißig Mark ein. Zwar gaben sie dreißig Mark davon für das Abendbrot aus, aber sie hofften, am nächsten Tag in dem kleinen Ort Ziegelbach noch einmal Glück mit ihrer Aufführung zu haben.
Nachdem sie die Nacht zu viert in dem Zelt zugebracht hatten, zusammengedrückt wie Sardinen in der Büchse, und nachdem Magnus mit lauter Stimme wieder in allen Straßen für die am Nachmittag auf der
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