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Eine Messe für all die Toten

Eine Messe für all die Toten

Titel: Eine Messe für all die Toten
Autoren: Colin Dexter
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der Schule gelernt hatte, kam ihm in den Sinn. Er paßte zu seiner
Stimmung und zu dem trostlosen Bild, das sich ihm bot.
     
    Und
schaurig durch den Nieselregen bricht
    auf
kahlen Straßen an der leere Tag.
     
    Er fuhr mit dem Halb-elf-Bus nach Summertown,
betrat das Wettbüro und besah sich das Feld von Lichfield Park. Um 14.30 Uhr
lief Organist, und um 16.00 Uhr Armer alter Harry. Komischer
Zufall. Meist gab er nicht viel auf Namen, was vielleicht ein Fehler war. Mit
dem verbiesterten Starren auf die Form der Gäule war er jedenfalls bisher noch
nicht auf einen grünen Zweig gekommen. In den Vorwetten war Organist einer der Favoriten, Armer alter Harry war nicht mal erwähnt. Josephs
ging an den Tageszeitungen entlang, die an der Wand hingen. In einigen wurden Organist gute Gewinnchancen eingeräumt, Armer alter Harry schien keine
Fürsprecher zu haben. Josephs grinste etwas kläglich. Wahrscheinlich würden sie
beide nicht als erste den Pfosten passieren, aber versuchen konnte man es ja
mal. Er füllte den weißen Wettzettel aus und ging mit seinem Geld an den
Schalter.
     
    Lichfield
Park, 16.00 Uhr
    2
Pfund auf Sieg, Armer alter Harry.
     
    Vor etwa einem Jahr hatte er im Supermarkt, als
er zwei Dosen Bohnen in Tomatensoße erstanden hatte, Wechselgeld für ein Pfund
bekommen und nicht für die Fünf-Pfund-Note, die er der Kassiererin hingelegt
hatte. Sein Protest hatte zu einem Kassensturz und einer peinlichen halben
Stunde geführt, ehe sich die Berechtigung seiner Reklamation herausgestellt
hatte. Seither prägte er sich, wenn er mit einer Fünf-Pfund-Note zahlte, immer
die drei Endziffern ein. Er sagte sie vor sich hin, während er auf das
Wechselgeld wartete: 646... 646... 646...
    Der Nieselregen hatte praktisch aufgehört, als
er um 11.20 Uhr ohne Eile die Woodstock Road hinunterging. Fünfundzwanzig
Minuten später stand er auf einem der Parkplätze des Radcliffe und hatte sehr
bald den Wagen entdeckt. Er schob sich zwischen den dicht an dicht parkenden
Fahrzeugen hindurch und sah durch das Fenster auf der Beifahrerseite.
Meilenstand 25 622. Jawohl, das hatte seine Richtigkeit. Als sie weggefahren
war, waren es 619 gewesen. Und wenn sie sich jetzt benahm wie jeder vernünftige
Mensch, würde sie von hier aus zu Fuß zum Einkäufen gehen, und dann würde der
Meilenzeiger, wenn sie heimkam, auf 625, höchstens 626 stehen. Er zog sich
hinter den Stamm einer moribunden Ulme zurück und sah auf die Uhr. Und wartete.
    Zwei Minuten nach zwölf öffneten sich die
Zelluloidklappen, die zur Ambulanz führten, und Brenda Josephs ging rasch auf
ihren Wagen zu. Sie schloß auf, lehnte sich vor und besah sich ein paar
Sekunden im Rückspiegel, dann nahm sie ein Parfümfläschchen aus der Handtasche
und betupfte damit ihren Hals, erst auf der einen, dann auf der anderen Seite.
Sie war nicht angeschnallt, als sie ein wenig ungeschickt im Rückwärtsgang aus
der schmalen Parklücke herausfuhr. Dann blinkte sie nach rechts, rollte vom
Parkplatz herunter und fuhr die Woodstock Road hinauf, dort blinkte sie nach
links und fädelte sich in den Verkehrsstrom ein, der nach Norden aus der Stadt
herausführte.
    Wie es von dort aus weitergehen würde, wußte er:
Zum Kreisel an der Northern Ring Road, dann über den Five Mile Drive zur
Kidlington Road. Auch sein nächster Schritt war nun klar.
    Die Telefonzelle war unbesetzt. Das Telefonbuch
war zwar längst geklaut, aber er kannte die Nummer auswendig.
    «Hallo?» Eine Frauenstimme. «Roger Bacon School,
Kidlington. Was kann ich für Sie tun?»
    «Ich hätte gern Mr. Morris gesprochen, Mr. Paul
Morris. Er ist Musiklehrer bei Ihnen, soviel ich weiß.»
    «Ja, das stimmt. Moment bitte, ich schau nur mal
auf den Stundenplan... Augenblickchen... Nein, er hat eine Freistunde. Ich seh
mal nach, ob er im Lehrerzimmer ist. Mit wem spreche ich bitte?»
    «Äh - Mr. Jones.»
    Eine halbe Minute später war sie wieder dran.
«Tut mir leid, Mr. Jones, er scheint nicht im Haus zu sein. Kann ich ihm was
ausrichten?»
    «Nein, es ist nicht weiter wichtig. Können Sie
mir sagen, ob er über Mittag in der Schule sein wird?»
    «Moment noch.» Josephs hörte Papier rascheln.
Die Mühe hätte sie sich sparen können, er wußte, wie die Antwort ausfallen
würde. «Nein. Er hat sich nicht zum Essen angemeldet. Sonst bleibt er meist
hier, aber —»
    «Macht nichts. Entschuldigen Sie bitte die
Störung.»
    Herzklopfend wählte er eine andere Nummer. Auch
dies war ein Anschluß in Kidlington. Dem
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