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Eine Luege ist nicht genug

Titel: Eine Luege ist nicht genug
Autoren: Alan Gratz
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hatte nur noch Claudes wölfisches Grinsen und sein dümmliches Winken zum Abschied vor Augen, und plötzlich ergab alles einen Sinn. Ich drückte das Gaspedal durch und wühlte nach meinem Handy, als ich wieder auf die Straße schlingerte. Mit Sicherheit hatte ich recht.
    Roscoe Grant und Gilbert Stern waren drauf und dran, meinen besten Freund zu ermorden.

Vierundzwanzigstes Kapitel

    Ich holte das Letzte aus dem Volvo raus, was zugegebenermaßen nicht sehr viel war. Aber sie einzuholen war unmöglich, und ich wusste ja nicht einmal, was genau ich eigentlich machen sollte, wenn ich es schaffte. Ich müsste sie dann ja noch zum Anhalten bringen und Hamilton irgendwie aus dem Auto kriegen. Und die Polizei anzurufen war sinnlos.
    Mit einer Hand ging ich die gespeicherten Telefonnummern durch und rief dann Hamilton auf dem Handy an.
    Kein Empfang.
    Ein Eichhörnchen rannte vor mir über die Straße, und ich scherte aus, um es nicht zu überfahren. Sogar die Natur war gegen mich.
    »Komm schon, komm schon«, murmelte ich, während ich auf Wahlwiederholung drückte. Es klingelte! Es klingelte – und dann war’s das auch gewesen. Ich fluchte und hätte das Ding am liebsten aus dem Fenster geschmissen, aber das hätte auch nichts genützt. Ich versuchte es wieder – kein Empfang. Also, wenn Hamilton sterben musste, dann war es seine Schuld, weil er so weit draußen in der Pampa wohnte.
    Ich beruhigte mich wieder und versuchte, mich auf die Straße zu konzentrieren. Es hatte keinen Sinn, panisch zu reagieren. Entweder würde ich ihn noch erwischen oder nicht, und wenn, dann musste ich auf Zack sein. Ich holte tief Luft und wählte seine Nummer erneut.
    Es klingelte. Er ging dran.
    »Horatio? Hast du versucht, mich anzurufen? Mein Handy hat immer wieder geklingelt und …«
    »Hamilton, hör jetzt zu«, unterbrach ich ihn. »Ich will dich aus dem Wagen raushaben.«
    »W as? Wovon redest du denn? Wir sind fast schon auf dem Highway.«
    Einen Moment lang überlegte ich, ihm alles zu erzählen, doch dann wurde mir klar, dass das eine schlechte Idee war. Denn was wäre, wenn er daraufhin durchdrehte? Es gab keine Möglichkeit, Roscoe und Gilbert daran zu hindern, auf eine Nebenstraße abzubiegen und sich um ihn zu kümmern. Ich musste Hamilton irgendwie aus dem Wagen kriegen, ohne dass seine »Begleiter« mitbekamen, dass ich ihnen auf die Schliche gekommen war.
    »Du hast was zu Hause vergessen«, improvisierte ich. Aber was konnte das Ding sein, auf das er am wenigsten verzichten wollte? »Deinen iPod.«
    »Nein, hab ich nicht, der ist in meinem Gepäck. Da bin ich sicher.«
    »Eins von den Dienstmädchen hat es auf deinem Tisch gefunden, als sie das Zimmer aufräumen wollte. Du musst es vergessen haben.«
    »Aber ich könnte schwören …«
    »Hamilton! Ich hab es doch hier bei mir«, log ich. »Könnt ihr irgendwo anhalten und warten, damit ich es dir bringen kann? Du willst doch nicht etwa ohne Musik wochenlang in der Klinik festsitzen?«
    »Ja, schon, warte mal.« Gedämpft konnte ich ein Gespräch hören und dann war Hamilton wieder dran. »Die Jungs haben sowieso Hunger. Gleich gegenüber dem Motel am Highway gibt es einen Schnellimbiss. Weißt du, wo das ist?«
    »Ja, ich hab da mal einen Abend in einem Abwasserrohr verbracht«, antwortete ich. »Hör mal, Hamilton, ganz egal, wie du es hinkriegst, lass dich nicht irgendwo anders hinbringen. Und bleib da, wo dich Menschen sehen können.«
    »Mensch, Horatio, mach doch nicht so einen Wind, es ist doch bloß ein iPod.«
    Ich klappe das Telefon zu und verbrachte den Rest der Fahrt damit, mir zu überlegen, wie ich es schaffen sollte, Hamilton von den beiden angeheuerten Killern wegzubekommen.

    Der Dodge Charger war auf dem Parkplatz des Imbissladens abgestellt, was schon mal eine Erleichterung war. Es gefiel mir gar nicht, dass ich Hamilton am Telefon hatte anlügen müssen, aber es war zu seinem eigenen Besten, hoffte ich. Ich parkte so, dass ich, falls nötig, einen Blitzstart hinlegen konnte, und kramte im Handschuhfach nach meinem elektrischen Rasierer. Den hob ich im Auto für Notrasuren auf, wenn ich einmal zu spät zur Schule dran war. Auch wenn ich in dem Jahr, in dem ich nun Auto fuhr, nie zu spät zur Schule dran gewesen war, geschweige, dass ich überhaupt genügend Stoppeln hatte, um sie zu rasieren. Vielleicht würde ich das Ding jetzt brauchen können.
    Es war ein älteres Modell, das mein Vater mir vermacht hatte, mit einem runden Kopf, den man über
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