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Eine Liebe in Paris

Eine Liebe in Paris

Titel: Eine Liebe in Paris
Autoren: Ellen Alpsten
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ein Vergnügen«, sagte er mit einer spaßhaften Verbeugung, ehe er wieder zum Haus sah. »Tu mir einen Gefallen, Ava.«
    »Ja, was?«
    »Sag Marie nicht, dass ich viel zu spät gekommen bin. Sie reißt mir sonst den Kopf ab, denn sie hatte mir dreimal gesagt, ich solle eher losfahren.«
    »Okay«, sagte ich und lachte. Marie, die ehemalige Balletttänzerin, schien ihn ja ganz schön im Griff zu haben.
    »Komm, wir gehen rein.« Er schloss den Kofferraum auf, wuchtete meinen Koffer heraus und schleppte ihn über den Kies des Hofes zur Haustür, auf deren dunkelgrünem Holz ein goldener Knauf leuchtete.
    »Henri? Ava?«, rief eine Frauenstimme, als die Tür hinter uns ins Schloss fiel. »Seid ihr das?«
    »Ja,
Chérie

    Rasche Schritte kamen die Steintreppe herunter, und ich sah neugierig nach oben, als Marie Lefebvre auf dem Absatz des nächsten Stockwerks erschien. Ihr feines Gesicht unter dem straff zurückgezogenen dunklen Haar war ein einziges Lächeln und sie breitete willkommen heißend die Arme aus. Ich bemerkte augenblicklich die Halskette, die sie zu ihren sehr schlichten Kleidern trug: Ein riesiges goldenes Kreuz mit einem Rubin in der Mitte, das an einem dunklen Samtband um ihren schneeweißen Hals hing. Meine Mutter sah nie so schön aus, wenn sie sich nur im Haus aufhielt.
    »Ava! Willkommen bei uns. Meine Güte, wie ähnlich du deiner Mutter siehst. Ich fühle mich um zwanzig Jahre zurückversetzt.«
    Marie Lefebvre stieg sehr elegant noch die letzte Stufen herunter und umarmte mich, ehe sie mir einen Kuss auf jede Wange hauchte.
    »
On fait la bise
. So sagt man sich hier in Paris Guten Tag.« Dann wandte sie sich an ihren Mann. »Weshalb habt ihr so lange gebraucht?«
    »Du weißt doch, der Verkehr bei dem Streik …«, begann Henri, aber Marie schnitt ihm das Wort ab.
    »Jaja. Kommt, lasst uns in den Salon gehen. Du musst doch hungrig sein, oder? Möchtest du eine Tasse Tee? Deine Mutter wollte immerzu Tee trinken, daran erinnere ich mich noch. Camille wird gleich da sein.«
    Sie ging voraus, und ich nahm ihr Parfum wahr, das herb nach Sandelholz roch.
    »Hast du Camille nicht heute, wo Ava kommt, ausnahmsweise mal zu Hause gelassen?«, fragte Henri seine Frau.
    »Nur ein kurzes Stündchen, Henri. Das tut ihr gut und es muss sein.« Sie sah auf ihre Armbanduhr. »Vielleicht sollten wir ohne sie Tee trinken. Je weniger sie isst, umso besser.«
    Das klang nicht danach, als würde Camille nach ihrer Mutter kommen. Hatte ich also recht gehabt: Camille war zu allem Überfluss noch ein Fettkloß.
    »Marie …«, begann Henri und seine Stimme klang warnend.
    »Was denn? Lass uns hineingehen«, sagte sie und fasste mich unter, ehe sie sich noch einmal nach Henri umdrehte. »Sei so lieb und bring den Koffer schon hoch, Henri. Wir haben das
Chambre de Bonne
für dich hergerichtet, Ava«, sagte sie dann an mich gewandt. »Dort bist du unabhängig und kannst kommen und gehen, wie du möchtest.«
    »Was ist ein
Chambre de Bonne?
Ein gutes Zimmer?«
    »Nein.« Sie lachte. »In Paris haben fast alle Häuser unter dem Dach ein kleines Zimmer, in dem früher die Dienstmagd oder das Kindermädchen wohnte. Aber keine Sorge, Camille hat mir geholfen, es einzurichten. Es ist wunderschön geworden, und du hast für die Zeit, die du bei uns wohnst, dein eigenes Reich.« Sie zwinkerte mir zu. »In deinem Alter kann man das in dieser Stadt gebrauchen.«
    Na toll. Wenn diese Camille mein Zimmer eingerichtet hatte, dann waren sicher die Wände mit Übelkeit erregender Blümchentapete zugepappt, dachte ich, nickte aber höflich.»Danke. Das klingt wunderbar.« In meinem Zimmer daheim hatte ich die eine Wand bordeauxrot gestrichen und die andere orange. Für die beiden übrigen Wände fehlte es mir noch an Inspiration, deshalb strahlten sie in langweiligem Weiß.
    »Komm herein.« Marie Lefebvre öffnete zwei Flügeltüren, die den Blick in einen von Licht durchfluteten, lang gezogenen Raum freigaben. Glastüren führten hinaus auf einen Seitenhof, und auf dem niedrigen Tisch vor einem der breiten cremefarbenen Sofas stand ein Tablett mit Tassen, Kuchen und einer Kanne, aus der Tee dampfte. Ich sah mich um. An den Wänden hingen neben einigen großflächigen Porträts, die in verschiedenen Stilrichtungen gemalt worden waren, auch mehrere verschwommene Schwarz-Weiß-Fotografien. Ich trat näher, um die Motive besser erkennen zu können. Jedes der Bilder zeigte eine Balletttänzerin in klassischer Pose: Einmal stand sie, dann
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