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Eine Liebe in Paris

Eine Liebe in Paris

Titel: Eine Liebe in Paris
Autoren: Ellen Alpsten
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neigte sie sich vor, hob sich auf die Spitzen, wirbelte in einer Pirouette und wurde im Flug von einem Tänzer aufgefangen. Als ich mich wieder umdrehte, war Marie in eines der breiten Sofas geglitten – anders konnte ich es nicht ausdrücken, denn all ihre Bewegungen erinnerten mich an fließendes Wasser. Ihre Augen waren dunkler als vorher und glänzten, als ich die Gemälde näher betrachtete. Sie zeigten immer dieselbe Frau und immer dasselbe Gesicht, nämlich Marie Lefebvres.
    »Was für schöne Bilder«, sagte ich. »Mama hat mir erzählt, dass du früher Tänzerin warst.«
    »Ach ja? Setz dich. Camille wird gleich da sein. Wie war dein Flug?« Sie griff zu der silbernen Kanne und schenkte mir Tee ein. »Nimmst du Milch und Zucker?«
    »Nein danke. Ich trinke ihn pur.«
    »Wenn doch Camille so vernünftig wäre. Aber sie will immer Zucker, Zucker, Zucker«, seufzte Marie und stellte die Kanne behutsam genau an dieselbe Stelle und in genau demselben Winkel wie vorher auf das Tablett zurück. Draußen im Hof wurde ein Motor angelassen. Ich sah Marie fragend an. Eine kleine Falte erschien auf ihrer sonst makellos glatten Stirn, verschwand dann aber gleich wieder. Das Licht, das durch die deckenhohen Fenster fiel, brach sich an dem Kreuz um ihren Hals.
    »Das wird Henri sein, der Camille abholen fährt.«
    »Wo ist sie?«, fragte ich und sog den Duft des Lapsang Souchong Tees ein. Hmm, köstlich.
    »In der Schule«, erwiderte Marie kurz. Der Ton ihrer Stimme erinnerte mich an die Art von Jean-Loup am Morgen im Flugzeug, als er nur gesagt hatte:
Ich bin geschäftlich unterwegs
. Etwas daran signalisierte: Keine weiteren Fragen bitte. Was mir gerade Lust aufs Fragenstellen machte!
    »Endet der Unterricht immer so spät?«
    »Momentan ja. Oft sogar später. Möchtest du ein Stück Kuchen? Ich habe ihn bei Lenôtre gekauft, dem besten
Patissier
der Stadt.«
    Der Kuchen war wirklich ein grün-rosa-vanillefarbenes Meisterwerk aus
Macarons
und Marzipan, aber er machtemir dennoch keine Lust. Wenn meine Mutter den einzigen Kuchen backte, für den sie das Rezept beherrschte – ein dunkler Schokoladenkuchen mit Smarties-Glasur – so ähnelte der stets einem Kuhfladen, aber er schmeckte nach der Zeit, die meine viel beschäftigte Mutter in ihn gesteckt hatte: einfach köstlich.
    »Ein kleines Stück, bitte.« Ich stellte den Teller auf den Tisch und legte die Gabel am Rand ab, ehe ich wieder zu den Bildern an der Wand sah. »Wann hast du eigentlich aufgehört zu tanzen?«
    Marie setzte behutsam ihre Tasse auf die Untertasse. »Ich habe nicht
getanzt
. Ich war die Primaballerina der Oper von Paris. Ich war
une Étoile
. Weißt du, was das bedeutet?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Die Oper von Paris hat das beste Ballettensemble der Welt. Ich war mit knapp siebzehn Jahren schon
Étoile
dort, als jüngste Tänzerin, die jemals in diesem Rang getanzt hat. Eine
Étoile
ist die Primaballerina, die absolute Königin des Ensembles.«
    »Toll«, sagte ich hilflos.
    Sie lächelte und senkte den Blick, ehe sie bescheiden sagte: »Aber das ist schon so lange her. Ich habe das alles aufgegeben. Für Henri und für Camille, um beiden ein schönes Heim zu schaffen.«
    Ich sah wieder auf die Porträts. »Die Gemälde gefallen mir. Jedes hat einen anderen Stil und ungeheure Ausdruckskraft.«
    »Sie zeigen alle nur mich, hast du das erkannt? Und sie sind alle von Künstlern gemalt, die von meinem Tanz inspiriert waren. Manchmal hatte ich nur eine halbe Stunde, um neben all meinen anderen Verpflichtungen für sie Modell zu sitzen, aber das hat ihnen genügt. Viele Maler fragen noch heute an, ob sie mich porträtieren dürfen.« Sie schnippte mit den Fingern. »
La Passion
, die Leidenschaft, das ist es, was sie inspiriert!« Als sie so
La Passion
sagte und dazu mit den Fingern schnippte, sah ich sie plötzlich als Primaballerina vor mir, zart, federleicht und zu Träumen anregend, und ich war tief beeindruckt.
    Marie trank einen Schluck von ihrem Tee. »Deine Mutter hat mir gesagt, du interessierst dich für Malerei?«, fragte sie mich.
    »Ja, ich möchte später Kunst studieren.«
    »Da hast du ja Glück mit dem Zeitpunkt deines Besuches bei uns. Wie du weißt, geht Camille in das Franko-Amerikanische Gymnasium in
Montparnasse
, und nächste Woche kommt einer der erfolgreichsten zeitgenössischen jungen Künstler zu ihr in den Kunstunterricht. Ich werde den Direktor fragen, ob du an der Stunde teilnehmen kannst, obwohl du nicht in Camilles
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