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Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Titel: Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser
Autoren: Ernst H. Gombrich
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bisherigen Vorstellungen von Kampf
und Krieg nun hinfällig waren. Obwohl viele von den Wissenschaftlern, die
während des Krieges verbissen an der Verwirklichung dieser Waffe arbeiteten,
gewiß dieselbe Hoffnung hegten, ist sie nicht in Erfüllung gegangen. Die
japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki wurden im August 1945 die ersten
Opfer einer solchen unvorstellbaren Katastrophe, und Japan gab sich tatsächlich
geschlagen.
    Es war uns allen klar, dass mit dieser Erfindung ein ganz neuer
Abschnitt in der Weltgeschichte begonnen hatte, denn die Entdeckung der
Atomenergie lässt sich beinahe mit der des Feuermachens vergleichen. Auch das
Feuer kann wärmen und zerstören, aber seine Zerstörungen sind nichts gegen die
heute noch vervielfältigte Vernichtungskraft der Atomwaffen. Man muss hoffen,
dass diese Entwicklung es unmöglich gemacht hat, sie wirklich wieder gegen
Menschen zu verwenden, aber wir wissen alle, dass die zwei größten Mächte, die
Amerikaner im Westen und die Russen im Osten, im Besitz von ungeheuren Massen
dieser Waffen sind, obwohl beiden klar ist, dass auch sie selbst ihre
Verwendung nicht überleben würden. Natürlich hat sich die Welt seit damals
überhaupt verwandelt. Die Völkerschaften ganzer Erdteile, die vor dem Krieg
noch zum britischen Weltreich gehört haben, sind inzwischen meist selbstständig
geworden, aber leider noch nicht verträglicher. Und doch ist uns trotz der
grausamen Kämpfe und bedrohlichen Krisen, die auch weiterhin an vielen Stellen
der Erde ausgebrochen sind, seit 1945 ein dritter Weltkrieg erspart geblieben,
weil eben jeder weiß, dass er das Ende der Weltgeschichte bedeuten könnte. Das
ist wohl ein schwacher Trost, aber doch ein Trost.
    Natürlich hat diese gänzlich neue Situation in der Menschheitsgeschichte
viele Menschen dazu geführt, die Errungenschaften der Wissenschaften als solche
zu verdammen, da sie uns an den Rand dieses Abgrunds geführt haben. Und doch sollten
sie nicht vergessen, dass es auch die Wissenschaften und die Technik waren, die
es den betroffenen Ländern ermöglicht haben, die Verwüstungen des Weltkrieges wenigstens
zum Teil wieder wettzumachen, sodass das normale Leben früher beginnen konnte, als
man zu hoffen gewagt hatte.
    Auch hier will ich zum Schluss noch eine kleine Korrektur an meinem Buch
anbringen und ein Versäumnis nachholen, das mir am Herzen liegt. Mein Kapitel über
Mensch und Maschine ist vielleicht nicht falsch, aber doch etwas
einseitig. Es ist zwar durchaus wahr, dass die Ablösung des Handwerks durch die
Fabrikarbeit viel Elend mit sich gebracht hat, aber ich hätte auch erwähnen
sollen, dass es ohne die neuen Techniken der Massenproduktion nicht möglich
gewesen wäre, die stetig anwachsende Bevölkerung überhaupt zu ernähren, zu
kleiden und zu behausen. Dass immer mehr Kinder zur Welt kamen und immer
weniger kurz darauf starben, lag zum großen Teil am wissenschaftlichen
Fortschritt in der Medizin, die zum Beispiel auf Wasserleitungen und
Kanalisation bestand. Gewiss, die wachsende Industrialisierung von Europa,
Amerika und auch von Japan hat uns um viel Schönes gebracht, und doch dürfen
wir darüber nicht vergessen, wie viel Segen – ja, Segen – sie bewirkt hat.

    Ich erinnere mich noch gut daran, was man in meiner Jugend gemeint
hat, wenn man von den »armen Leuten« sprach. Nicht nur die Notleidenden, die
Bettler und Obdachlosen, sahen anders aus als die bürgerlichen Bewohner der
Großstädte, auch die Arbeiter und Arbeiterinnen waren von Weitem an ihrer
Kleidung zu erkennen; die Frauen hatten höchstens ein Kopftuch, um sich vor der
Kälte zu schützen, und kein Arbeiter hätte je ein weißes Hemd getragen, weil es
zu schnell den Schmutz zeigte. Ja, man sprach damals von einem
»Arme-Leut’-Geruch«, denn die Mehrzahl der Stadtbewohner wohnte in schlecht
gelüfteten Wohnungen mit höchstens einer Wasserleitung im Treppenhaus. Dafür
gehörten damals zu einem bürgerlichen Haushalt (und nicht nur bei reichen
Leuten) gewöhnlich eine Köchin, ein Stubenmädchen und oft auch ein
Kinderfräulein. Zwar lebten sie dort oft sicher besser, als wenn sie zu Hause
geblieben wären, aber es kann doch nicht angenehm gewesen sein, zum Beispiel
nur einmal in der Woche »Ausgang« zu haben und überhaupt zu den »Dienstboten«
gerechnet zu werden. Gerade zur Zeit meiner Jugend fing man an, sich darüber
Gedanken zu machen, und nach dem Ersten Weltkrieg nannte das Gesetz sie schon
»Hausgehilfinnen«. Aber noch als
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