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Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Titel: Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser
Autoren: Ernst H. Gombrich
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Christen von wilden Tieren zerreißen. Die
geballten Wolken dort über dem Land, das ist das Gewitter der Völkerwanderung,
in diesen Wäldern am Fluss haben die ersten Mönche Germanen bekehrt und
unterrichtet. Dort von der Wüste aus eroberten die Araber die Welt, hier
herrschte Karl der Große. Auf diesem Hügel steht noch die Burg, in der sich der
Kampf zwischen Papst und Kaiser um die Herrschaft über die Welt entschied.
Ritterburgen sehen wir und, näher zu uns, Städte mit herrlichen Domen, da ist
Florenz und da die neue Peterskirche, um die es zum Kampf mit Luther gekommen
ist. Die Stadt Mexiko geht in Flammen auf, die Armada scheitert an Englands
Küsten; der Qualm, der dort lastet, ist der Rauch brennender Dörfer und
Scheiterhaufen aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, das prachtvolle
Schloss in dem großen Park da ist das Versailles Ludwigs XIV. Hier steht das
Lager der Türken vor Wien und näher noch die einfachen Schlösser Friedrichs des
Großen und Maria Theresias. Ganz ferne hören wir auf den Straßen von Paris das
Geschrei nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, und schon sehen wir
drüben Moskau brennen und das winterliche Land, in dem die große Armee des
letzten Eroberers zugrunde ging. Ganz nah von uns rauchen die Fabrikschlote und
pfeifen die Eisenbahnen. Der Sommerpalast von Peking liegt in Trümmern, und aus
japanischen Häfen fahren Kriegsschiffe mit der Flagge der aufgehenden Sonne.
Hier donnern noch die Geschütze des Weltkrieges. Giftgas streicht über das
Land. Hier, aus der geöffneten Kuppel der Sternwarte lenkt ein Riesenfernrohr
den Blick des Forschers nach unvorstellbar fernen Sternenwelten hin. Aber unter
uns und vor uns ist noch Nebel, undurchdringlicher Nebel. Wir wissen nur, dass
der Fluss weiterfließt, unendlich weiter, einem unbekannten Meer zu.
    Aber sinken wir eilig mit dem Flugzeug hinunter zu dem Strom. Wenn wir ganz
nahe sind, merken wir, er ist ein richtiger Strom, und seine Wellen rauschen
wie die Wellen des Meeres. Es geht ein kräftiger Wind, die Wogen tragen weiße
Schaumkronen. Sieh sie dir nur gut an, diese Millionen schimmernder, weißer Wasserbläschen,
die da mit jeder Welle entstehen und vergehen. Immer neue steigen auf und
verschwinden im gleichmäßigen Takt des Wogengangs. Einen Augenblick nur trägt
sie der Wellenkamm, dann sinken sie unter und sind nicht mehr. Siehst du, jeder
von uns ist nicht mehr als solch ein schillerndes Etwas, ein winziges Tröpfchen
auf den Wogen der Zeit, die da unten vorbeitreiben in die ungewisse, nebelhafte
Zukunft hinaus. Wir tauchen auf, sehen uns um, und ehe wir es bemerkt haben,
sind wir wieder verschwunden. Man sieht uns gar nicht im großen Strom der Zeit.
Es kommen immer Neue und Neue. Und was wir unser Schicksal nennen, das ist
nichts als unser Kampf im Gedränge der Tröpfchen im einmaligen Auf und Ab der
Wogen. Aber diesen Augenblick wollen wir nutzen: Es ist der Mühe wert.

Das Stückchen Weltgeschichte, das ich selbst erlebt habe – Ein
Rückblick
    Es ist etwas ganz anderes, ob man Geschichte aus Büchern
lernt oder sie selbst erlebt hat. Daran wollte ich dich auch auf den vorigen
Seiten erinnern, auf denen ich den Blick in die Vergangenheit der Menschheit
mit der Aussicht aus einem hoch fliegenden Flugzeug verglich. Wir sehen da nur
wenige Einzelheiten am Ufer des Stroms der Zeit. Aber du hast auch gelesen, wie
anders der Strom aus der Nähe aussieht, wenn uns die einzelnen Wellen
entgegenkommen. Manches sieht man dann besser, manches gar nicht mehr. So ist
es auch mir ergangen. Das vorige Kapitel endete ja mit dem furchtbaren
Weltkrieg von 1914 bis 1918. Ich habe ihn zwar schon erlebt, aber ich war erst
9 Jahre alt, als er zu Ende ging. Und so schrieb ich auch, was ich aus Büchern
erfahren hatte.
    In diesem letzten Kapitel möchte ich dir gerne ein wenig von dem
beschreiben, was ich nun wirklich selbst erlebt habe. Und je mehr ich darüber
nachdenke, desto sonderbarer kommt es mir vor. Es hat sich nämlich seit 1918
auf der Welt unendlich viel verändert, aber manche von diesen Änderungen sind
so unmerklich gekommen, dass sie uns heute ganz selbstverständlich erscheinen.
    Damals gab es zum Beispiel kein Fernsehen und keine Computer, keine
Raumfahrt und keine Atomkraft. Aber die wichtigste Änderung vergisst man
besonders leicht, nämlich dass es heute so viel, viel mehr Menschen auf der
Welt gibt als zur Zeit meiner Jugend. Gegen Ende des Weltkrieges gab es über
2000 Millionen Menschen auf
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