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Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)
Autoren: Stephen Hawking
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Schildkrötenturm, so sind sie doch beide nur Theorien des Universums. Beide sind sie durch Beobachtung nicht zu belegen: Niemand hat je die Riesenschildkröte mit der Erde auf ihrem Rücken entdeckt, aber ein Superstring ist bislang auch noch nicht gesichtet worden. Doch kann die Schildkrötentheorie nicht als gute wissenschaftliche Theorie gelten, weil aus ihr folgt, daß die Menschen vom Rand der Welt hinunterfallen müssen. Dies deckt sich nicht mit unserer Erfahrung, es sei denn, es erwiese sich als die Erklärung für das angebliche Verschwinden der Menschen im Bermuda-Dreieck.
    Die ersten theoretischen Versuche, das Universum zu beschreiben und zu erklären, beriefen sich auf Götter und Geister, die die Ereignisse und Naturerscheinungen lenkten und auf sehr menschliche, unberechenbare Weise handelten. Sie bewohnten die Natur – Flüsse und Berge, aber auch Himmelskörper wie Sonne und Mond. Sie mußten besänftigt und freundlich gestimmt werden, wenn die Felder fruchtbar sein und die Jahreszeiten ihren gewohnten Gang nehmen sollten. Allmählich bemerkten die Menschen jedoch gewisse Regelmäßigkeiten: Die Sonne ging immer im Osten auf und im Westen unter, ganz gleich, ob man dem Sonnengott geopfert hatte oder nicht. Sonne, Mond und Planeten folgten genau festgelegten Himmelsbahnen, die man exakt vorhersagen konnte. Die Sonne und der Mond mochten zwar Götter sein, aber sie gehorchten dennoch strengen Gesetzen, und zwar offenbar ohne jegliche Ausnahme – läßt man Geschichten wie die des Josua außer acht, für den die Sonne auf ihrem Weg innehielt.
    Zunächst zeigten sich diese Regelmäßigkeiten und Gesetze nur in der Astronomie und einigen wenigen anderen Situationen. Doch mit fortschreitender Entwicklung der menschlichen Kultur wurden immer mehr Regelmäßigkeiten und Gesetze entdeckt – vor allem in den letzten dreihundert Jahren. Der Erfolg dieser Gesetze ermutigte Laplace Anfang des 19. Jahrhunderts, den wissenschaftlichen Determinismus zu verkünden. Es werde ein System von Gesetzen geben, behauptete er, aus dem sich die Entwicklung des Universums detailliert ableiten lasse, wenn dessen Zustand zu einem beliebigen Zeitpunkt vollständig bekannt sei.
    Der Laplacesche Determinismus war in zweierlei Hinsicht unvollständig. Er ließ offen, woran man diese Gesetze erkennen könne, und er versäumte es, den Anfangszustand des Universums zu bestimmen. Das blieb Gott überlassen. Nach dieser Auffassung entschied Gott über den Beginn des Universums und über die Gesetze, die den Ablauf der Ereignisse bestimmen. Er enthält sich aber aller Eingriffe in das Universum, sobald der Anfang gemacht ist. Damit wurde Gott in die Gebiete abgedrängt, die die Wissenschaft des 19. Jahrhunderts nicht verstand.
    Wir wissen heute, daß sich die deterministischen Hoffnungen Laplaces nicht einlösen lassen, jedenfalls nicht so, wie er sich das vorstellte. Aus der Unschärferelation der Quantenmechanik folgt, daß sich bestimmte Größenpaare, also etwa der Ort und die Geschwindigkeit eines Teilchens, nicht beide mit absoluter Genauigkeit vorhersagen lassen.
    Die Quantenmechanik löst dieses Problem durch eine Klasse von Quantentheorien, in denen Teilchen keine festgelegten Positionen und Geschwindigkeiten haben, sondern durch eine Welle repräsentiert werden. Die Quantentheorien sind insofern deterministisch, als sie Gesetze für die Entwicklung der Welle mit der Zeit angeben: Wenn man die Welle zu einem bestimmten Zeitpunkt kennt, dann kann man sie für einen anderen Zeitpunkt berechnen. Das unvorhersagbare Zufallselement kommt nur dann ins Spiel, wenn wir versuchen, die Welle in Hinblick auf die Positionen und Geschwindigkeiten der Teilchen zu interpretieren. Aber vielleicht ist das unser Fehler: Vielleicht gibt es keine Teilchenpositionen und -geschwindigkeiten, sondern nur Wellen. Mag sein, daß wir lediglich versuchen, die Wellen in unser vorgefaßtes Schema von Positionen und Geschwindigkeiten hineinzuzwingen. Das daraus resultierende Mißverhältnis wäre die Ursache der scheinbaren Unvorhersagbarkeit.
    So haben wir die Aufgabe der Wissenschaft neu definiert: Es geht um die Entdeckung von Gesetzen, die es uns ermöglichen, Ereignisse innerhalb der Grenzen vorherzusagen, die uns die Unschärferelation setzt. Die Frage bleibt jedoch: Wie oder warum wurden die Gesetze und der Anfangszustand des Universums gewählt?
    In diesem Buch habe ich mich auf die Gesetze konzentriert, die die Gravitation betreffen, weil sie
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