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Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)
Autoren: Stephen Hawking
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den großräumigen Aufbau des Universums bestimmt, auch wenn sie die schwächste der vier Kräfte ist. Die Gravitationsgesetze vertragen sich nicht mit der in die Moderne hineinragenden Auffassung, das Universum verändere sich nicht mit der Zeit. Da die Gravitation stets als Anziehungskraft wirkt, muß es sich entweder ausdehnen oder zusammenziehen. Nach der Allgemeinen Relativitätstheorie muß es in der Vergangenheit einen Zustand unendlicher Dichte gegeben haben, den Urknall, der den Anfang der Zeit markiert; entsprechend muß es, wenn das gesamte Universum rekollabiert, einen weiteren Zustand unendlicher Dichte in der Zukunft geben, den Endknall, das Ende der Zeit. Selbst wenn das ganze Universum nicht wieder in sich zusammenstürzt, so gibt es doch Singularitäten in allen abgegrenzten Regionen, die zu Schwarzen Löchern kollabiert sind. Diese Singularitäten bedeuten für jeden, der in das Schwarze Loch hineinfällt, das Ende der Zeit. Beim Urknall und in anderen Singularitäten – so die Theorie – büßen alle Gesetze ihre Geltung ein, so daß es noch immer in Gottes Belieben stünde, zu wählen, was geschehen ist und wie alles begonnen hat.
    Wenn wir die Quantenmechanik mit der Allgemeinen Relativitätstheorie verbinden, so scheint sich eine neue Möglichkeit zu eröffnen: Raum und Zeit können zusammen einen endlichen, vierdimensionalen Raum ohne Singularitäten und Grenzen bilden, ähnlich wie die Oberfläche der Erde, nur mit mehr Dimensionen. Es scheint, daß diese Theorie viele der beobachteten Eigenschaften des Universums erklären kann – zum Beispiel seine großräumige Gleichförmigkeit und die kleinräumigen Verstöße gegen die Einheitlichkeit in Gestalt von Galaxien, Sternen und auch Menschen. Sie kann sogar den Zeitpfeil erklären, den wir beobachten. Doch wenn das Universum vollständig in sich abgeschlossen ist, ohne Singularitäten und Grenzen, und sich erschöpfend durch eine vereinheitlichte Theorie beschreiben ließe, so hätte dies tiefgreifende Auswirkungen auf Gottes Rolle als Schöpfer.
    Einstein hat einmal gefragt: «Wieviel Entscheidungsfreiheit hatte Gott bei der Erschaffung des Universums?» Wenn die Keine-Grenzen-These zutrifft, so blieb ihm bei der Wahl der Anfangsbedingungen überhaupt keine Freiheit. Natürlich hätte es immer noch in seinem Ermessen gestanden, die Gesetze zu wählen, die das Universum bestimmen. Doch eine echte Entscheidungsfreiheit könnte er bei dieser Wahl auch nicht gehabt haben, denn es ist durchaus möglich, daß es nur sehr wenige vollständige vereinheitlichte Theorien gibt – vielleicht sogar nur eine, zum Beispiel die des heterotischen String –, die in sich widerspruchsfrei sind und die Existenz von so komplizierten Gebilden wie den Menschen zulassen, die die Gesetze des Universums erforschen und nach dem Wesen Gottes fragen können.
    Auch wenn nur eine vereinheitlichte Theorie möglich ist, so wäre sie doch nur ein System von Regeln und Gleichungen. Wer bläst den Gleichungen den Odem ein und erschafft ihnen ein Universum, das sie beschreiben können? Die übliche Methode, nach der die Wissenschaft sich ein mathematisches Modell konstruiert, kann die Frage, warum es ein Universum geben muß, welches das Modell beschreibt, nicht beantworten. Warum muß sich das Universum all dem Ungemach der Existenz unterziehen? Ist die vereinheitlichte Theorie so zwingend, daß sie diese Existenz herbeizitiert? Oder braucht das Universum einen Schöpfer, und wenn ja, wirkt er noch in irgendeiner anderen Weise auf das Universum ein? Und wer hat ihn erschaffen?
    Bislang waren die meisten Wissenschaftler zu sehr mit der Entwicklung neuer Theorien beschäftigt, in denen sie zu beschreiben versuchten, was das Universum ist, um die Frage nach dem Warum zu stellen. Andererseits waren die Leute, deren Aufgabe es ist, nach dem Warum zu fragen – die Philosophen –, nicht in der Lage, mit der Entwicklung naturwissenschaftlicher Theorien Schritt zu halten. Im 18. Jahrhundert betrachteten die Philosophen den gesamten Bereich menschlicher Erkenntnis, einschließlich der Naturwissenschaften, als ihr angestammtes Gebiet und erörterten auch Fragen wie etwa die nach dem Anfang des Universums. Im 19. und 20. Jahrhundert jedoch wurde die Naturwissenschaft zu fachlich und mathematisch für Laien, zu denen nun auch die Philosophen gehörten. Sie engten den Horizont ihrer Fragen immer weiter ein, bis schließlich Wittgenstein, einer der bekanntesten Philosophen
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