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Eine Insel

Eine Insel

Titel: Eine Insel
Autoren: Terry Pratchett
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Onkel würden herbeilaufen, und die anderen jungen Männer würden zu ihm eilen, um ihm zu gratulieren, und die Jungen, die er zurückgelassen hatte, würden neidisch auf ihn sein, und seine Mutter und die anderen Frauen würden das Festmahl eröffnen, und dann kam die… die Sache mit dem scharfen Messer, wobei man nicht schrie, und dann… dann wäre alles wunderbar!
    Und wenn er das Bild gut festhielt, würde alles genau so geschehen. Ein dünner silberner Faden verband ihn mit dieser Zukunft, wie ein Gottesanker, der die Götter davon abhielt, sich zu weit zu entfernen.
    Die Götter – das war es! Dieser Aufruhr kam von der Insel der Götter. Sie lag hinter dem Horizont, so dass man sie von hier aus nicht sehen konnte, aber die alten Männer sagten, dass sie einst gebrüllt hatte, vor langer, langer Zeit. Dann war die See rau geworden, und viel Rauch und Donner war gekommen, weil der Feuergott zornig gewesen war. Vielleicht war er jetzt wieder zornig geworden.
    Die Wolke reckte sich den ganzen Himmel hinauf, doch nun war auf Meereshöhe etwas Neues zu sehen. Es war eine dunkel graue Linie, die größer wurde. Eine Welle? Wohl kaum. Mit Wellen kannte er sich aus. Man griff sie an, bevor sie einen angreifen konnten. Er hatte gelernt, wie man mit ihnen spielte.
    Man durfte sich auf keinen Fall von ihnen umwerfen lassen.
    Man musste sie benutzen. Wellen waren kein Problem.
    Aber diese verhielt sich nicht wie die normalen Wellen an der Mündung des Riffs. Diese Welle schien stillzustehen.
    Er starrte sie an, bis er begriff. Es sah nur so aus, als würde sie stillstehen, weil diese Welle richtig groß und noch sehr weit entfernt war. Dabei rollte sie unerbittlich auf ihn zu und zog eine nachtschwarze Wand hinter sich her.
    Rasend schnell und inzwischen gar nicht mehr so weit entfernt.
    Und auch keine Welle. Dazu war sie zu groß. Es war ein Gebirgszug aus Wasser, und Blitze tanzten über die Krone, und es rauschte und donnerte, und das Kanu wurde in die Luft gehoben, als wäre es leicht wie eine Feder.
    Mau stieg unaufhaltsam den turmhohen, schäumenden Hang der Welle hinauf und klemmte das Paddel unter die Lianen, mit denen der Ausleger festgezurrt war. Er hielt sich fest, als…
    Es regnete. Es war ein schwerer, schlammiger Regen, voller Asche und Traurigkeit. Mau erwachte aus einem Traum von geröstetem Schweinefleisch und jubelnden Männern und öffnete die Augen unter einem grauen Himmel.
    Dann wurde ihm schlecht.
    Das Kanu schaukelte sanft in der Dünung, während er einen kleinen Beitrag zu dem leistete, was bereits auf dem Wasser trieb – Holzstücke, Blätter, Fische…
    Gekochter Fisch?
    Mau paddelte zu einem großen Fisch hinüber und schaffte es, ihn an Bord zu hieven. Er war tatsächlich gekocht – was für ein Festmahl!
    Und Mau brauchte ein Festmahl. Alles tat ihm weh. Eine Seite seines Kopfes war klebrig – Blut, wie er feststellte. Irgendwann musste er gegen die Bordwand des Kanus geschlagen sein, was ihn jedoch nicht sonderlich überraschte. Der Ritt durch die Welle war eine brutale Erinnerung, die ihm die Ohren taub gemacht und den Brustkorb verbrannt hatte, die Art Traum, aus dem man erwachte und einfach nur heilfroh war, ihn überstanden zu haben. Er hatte nicht mehr tun können, als sich möglichst gut festzuhalten.
    Im Wasser hatte sich ein Tunnel aufgetan wie eine wandernde Höhle unter dem Kamm der Riesenwelle. Dann war ein Sturm aus Gischt gefolgt, als das Kanu wie ein Delfin aus dem Wasser geschossen war. Er hätte schwören können, dass es in die Luft gesprungen war. Und er hatte Gesang gehört! Nur ein paar Sekunden lang, bis das Kanu die Rückseite der Welle hinuntergerast war. Es konnte nur ein Gott gewesen sein oder vielleicht ein Dämon… oder vielleicht war es das, was man im eigenen Kopf hörte, wenn man teils flog und teils untertauchte, in einer Welt, in der sich Wasser und Luft abwechselten. Aber jetzt war es vorbei, und das Meer, das versucht hatte, ihn zu töten, war nun gewillt, ihm eine Mahlzeit zukommen zu lassen.
    Der Fisch schmeckte gut, und Mau spürte, wie die Wärme in seine Knochen drang. Es gab noch viel mehr davon. Sie trieben zwischen all dem anderen Zeug an der Wasseroberfläche. Er fand auch ein paar junge Kokosnüsse, deren Milch er dankbar trank. Danach ging es ihm deutlich besser. Er freute sich schon darauf, seinen Leuten diese Abenteuergeschichte zu erzählen.
    Eine so große Welle musste auch zu Hause ans Ufer geschwappt sein. Also würden sie
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