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Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aus vielen tausend Geschützen hämmerten sie die deutschen Divisionen in den Boden. Die 3. deutsche Panzer-Armee, die 4. und die 9. Armee standen einem russischen Aufgebot gegenüber, das unaufhaltsam wie eine Sturmflut über das trockene Land rollte.
    Vier sowjetische ›Fronten‹, die ›Erste Baltische Front‹ unter Bragamyan, die ›Dritte Weißrussische Front‹ unter Tschernjakowki, die ›Zweite Weißrussische Front‹ unter Zakharow und die ›Erste Weißrussische Front‹ unter Rokossowski, warfen sich ohne Rücksicht auf Verluste an Menschen und Material gegen die deutschen Bunkerstellungen. Aus einem Sommertag wurde die Hölle, der blaue Himmel verdunkelte sich mit den Wolken aufgerissener Erde.
    Am 24. Juni klaffte südlich von Witebsk eine Lücke von vierzig Kilometern in den Stellungen der 3. Panzer-Armee. Die russischen Divisionen fluteten in das Hinterland, kreisten die Deutschen ein und vernichteten sie, ehe noch das Hauptquartier der Heeresgruppe Mitte reagieren konnte.
    An diesem 24. Juni, an dem das Ende der deutschen Mittelfront schon abzusehen war, befahl Hitler, die Stellungen zu halten, und verbot jeglichen Rückzug.
    Am 25. Juni zerriß die Verbindung zur 4. Armee. Die Dritte Weißrussische Front erreichte die Rollbahn Orscha-Borissow, die Lebensader Rußlands. Auf ihr rollte der Nachschub – und auf ihr kämpften sich jetzt Teile der auseinandergerissenen 4. Armee zurück.
    Hauptmann Hillemann war gleich am 21. Juni gefallen, Leutnant Brokamp war vermißt, dem Hauptfeldwebel Knoll hatte eine Granate das halbe Gesicht weggerissen, man mußte ihn zurücklassen, er heulte wie ein angeschossener Wolf und bettelte darum, daß ihm jemand eine Pistole gebe. Dann verfiel er von einer Minute zur anderen und lag still da, während die anderen weiterrannten, einen Kübelwagen enterten und sich absetzten.
    Von Major Blauer hörte man nichts mehr, es hieß, sein Regimentsgefechtsstand sei von sowjetischen Panzern überrollt worden. Der ganze Stab war noch im Erdbunker, und der T 34 habe sich wonnevoll über dem Bunker gedreht und alles zu einer blutigen Masse zermalmt. Nur Wehrmachtspfarrer Dr. Zoller lebte noch, weil er gerade hinten bei der Division gewesen war. Er tauchte im Lazarett Borissow auf, mit zerrissener Uniform, blutbespritzt, unrasiert, ging durch die Reihe der Sterbenden und segnete sie.
    Hellmuth Wegener und Peter Hasslick kamen bis zu dem kleinen Dorf Saledjow am Dnjepr. Sie waren allein, abgesprengt von der Truppe, und saßen jetzt am Ufer des trägen Flusses. Das Dorf war verlassen, die Katen waren zum größten Teil abgebrannt. Südlich von ihnen donnerte es ununterbrochen – dort hämmerte die russische Artillerie den Weg nach Mogilew frei. Nördlich von ihnen war der Himmel von Rauch geschwärzt – dort brannten die Öllager von Orscha. Und vor ihnen war der Fluß und kein Kahn, um ihn zu überqueren.
    »Schwimmen wir!« sagte Wegener. »Du kannst doch schwimmen, Peter?«
    »Nicht gut, aber durch diese Brühe komme ich schon durch.«
    Sie gingen zum Dnjepr hinunter, zogen ihre Uniformen aus, banden sie zu einem Bündel um die Maschinenpistolen und wateten ins Wasser.
    Als sie bis zu den Knien im Fluß standen, erschien oben auf der Uferböschung ein vielleicht neunjähriger, schmächtiger Junge. Sein zerlumpter Anzug war ruß geschwärzt, sein schmales Kindergesicht zuckte, und Tränen liefen ihm über die schmutzverkrusteten Backen.
    Mit zitternden Armen hob er ein Gewehr, drückte es in die Schulter, zielte und krümmte den kleinen Zeigefinger. Der Schuß warf ihn fast um, aber er fing sich auf, blieb mit gespreizten Beinen stehen und ließ das Schloß hin- und herknirschen.
    »Das ist für Vater!« sagte er. »Und das für Mamuschka! Ihr habt sie umgebracht, ihr habt sie alle umgebracht! Ihr verdammten Germanski …«
    Er schoß wieder, und die Tränen zogen Rillen durch den Schmutz seines Gesichtes.
    Im Fluß zuckte Hellmuth Wegener zusammen, als es wie eine heiße Faust gegen seinen Rücken donnerte. Er stolperte nach vorn, fiel gegen den vorangehenden Hasslick und klammerte sich an ihm fest. Dann erst hörten sie den Schuß, widerhallend in der sonnigen Weite des Landes.
    »Mich hat's erwischt!« stammelte Wegener. »Peter … im Rücken! Verdammt!«
    Seine Stimme begann zu pfeifen, blutiger Schaum quoll über die Lippen, er hielt sich an Hasslick fest und starrte ihn aus weiten Augen an.
    »Die Lunge!« sagte er. Der blutige Schaum bettete die Worte ein und blähte
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