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Eine ehrbare Familie

Titel: Eine ehrbare Familie
Autoren: John Gardener
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Rosengarten gehen, von dessen höchstem Punkt aus man fast den ganzen Besitz und die gutseigenen Bauernhöfe sah.
    Giles ging schnell die Papiere durch. Er wußte genau, was vernichtet und was behalten werden mußte. Und so kam es, daß er als erster das Testament las und sofort die daraus entstehenden Probleme erkannte.
    Erst nachdem er die Papiere sorgfältig aussortiert hatte, informierte Giles, der einzige Bruder des Generals, die Familie über den bevorstehenden Tod des alten Soldaten. Er starb noch am gleichen Abend um zehn Uhr.
    Bald läutete unten im Städtchen die Totenglocke, ihr dumpfer, melancholischer Klang ließ die mit Rauhreif bedeckten Äste erzittern, die Töne drangen wie eine Warnung in jeden Haushalt.
    Auf dem Marktplatz schneuzte sich der Schlachter Jack Calmer laut ins Taschentuch, hielt im Essen inne und sah seine Frau und seine Tochter Rachel an. «Wir sollten ein Gebet für ihn sagen. Er war ein guter, aufrechter Mann.»
    Sie hörten die Glocke in den Gasthäusern. Die Männer, die den General gekannt und sogar unter seinem Kommando gekämpft hatten, setzten ihre Bierkrüge ab und erhoben sich respektvoll. Sie wußten, sein Tod bedeutete unweigerlich Veränderung.
    Die Glockenschläge konnte man meilenweit hören, weit über das Städtchen hinaus. Man hörte sie im Armenhaus, und Miss Ducket vergoß eine Träne, denn sie hatte den General noch als jungen Mann gekannt. Viele Menschen wurden durch das gleichmäßige Geläute daran erinnert, daß der Winter ihres eigenen Lebens bereits angebrochen war und daß die Uhr auf dem Kaminsims für sie alle tickte. Auch der Farmaufseher von Redhill, der junge Bob Berry, hörte sie und empfand Angst, aber aus anderen Gründen, desgleichen der Gutsverwalter Jack Hunter.
    John, Charles und ihre Familien trafen am nächsten Morgen vor dem Mittagessen ein; Andrew und seine Familie kamen am Nachmittag an. Marie und ihr Mann, Marcel Grenot, bestiegen wieder den Zug, nachdem sie gerade von den Weihnachtsfeierlichkeiten nach Paris zurückgekehrt waren. Malcolm und Bridget, die Neujahr bei Bridgets Eltern verbracht hatten, wurden am folgenden Abend erwartet.
    Es war also Giles, der darauf achtete, daß die Familiengeheimnisse gewahrt wurden, und es war ebenfalls Giles, der die beiden Söhne des Generals von dem Testament des alten Mannes in Kenntnis setzte. Giles sah Probleme voraus und tat sein Bestes, ihnen entgegenzuwirken.
    Die Probleme, die das Testament aufwarf, hatten hauptsächlich mit Besitzansprüchen und Finanzen zu tun, aber auch mit den unterschiedlichen Charakteren und Ambitionen von John und Charles, den zwei Söhnen des Generals. In Johns Fall war das Problem doppelt schwierig wegen seiner jungen Frau Sara, die einige Familienmitglieder für unreif, verwöhnt und eigensinnig hielten.
    Johns erste Ehe hatte tragisch geendet. Seine Frau Beatrice war bei der Geburt ihres ersten Kindes, James, gestorben. Der Junge war erst von einer Reihe von Kinderfrauen versorgt und dann, wie in der Familie üblich, in das strenge Wellington-Internat geschickt worden. James war jetzt siebzehn Jahre alt.
    Johns großes Interesse galt der Politik, und ein Jahr nach Beatrices Tod war er Parlamentsmitglied geworden. Sein Leben bestand aus Arbeit, er liebte sein Land glühend, sein Traum war, Minister zu werden.
    Im Unterschied zu seinem Bruder Charles schien John sich nicht allzuviel aus Frauen zu machen, und so war die Familie verständlicherweise höchst verblüfft gewesen, als er vor knapp drei Jahren seine Verlobung mit Sara Champney bekanntgab. Sara war fünfundzwanzig Jahre jünger als John, und seit ihrer Heirat war der früher so einsiedlerische John in Begleitung seiner jungen Frau ein oft gesehener Gast in der Londoner Gesellschaft.
    Was immer die private Meinung der Familie Railton über Sara sein mochte, eins stritt ihr niemand ab: Sie schien John sehr zu lieben und war ein großer Erfolg bei allen wichtigen Regierungsmitgliedern, was für Johns Karriere nur von Nutzen sein konnte.
    Aber nun, nach dem Tod des Generals, war Johns Laufbahn als Politiker in Frage gestellt. Abgesehen von einigen Legaten und der beträchtlichen Apanage von zweitausend Pfund im Jahr für Charles, ging der gesamte Familienbesitz an den erstgeborenen Sohn John-ein großes Vermögen, aber auch eine große Verpflichtung.
    Neben dem Herrenhaus Redhill, den ausgedehnten Ländereien, den Pachthöfen und den hohen Renditen aus den Häusern im Städtchen Haversage gehörten zum
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