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Eine dunkle Geschichte (German Edition)

Eine dunkle Geschichte (German Edition)

Titel: Eine dunkle Geschichte (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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hätte allein diese Besonderheit seines Gesichts seinen Anblick schrecklich gemacht. Dies sokratische Gesicht mit der Stumpfnase wurde von einer sehr schönen Stirn gekrönt, die aber so gewölbt war, daß sie darüber vorzuspringen schien. Die abstehenden Ohren besaßen eine Art von Beweglichkeit wie bei wilden Tieren, die stets auf der Lauer sind. Sein Mund, der halb offen stand, wie dies bei Bauern ziemlich häufig vorkommt, zeigte starke, mandelweiße, aber unregelmäßig stehende Zähne. Ein dichter, glänzender Backenbart umrahmte dies weiße, stellenweise blaurote Gesicht. Die vorn kurz geschorenen, doch über den Schläfen und am Hinterkopf langen Haare hoben durch ihr falbes Rot all das Seltsame und Schicksalsvolle hervor, was in seinem Ausdruck lag. Der kurze, dicke Hals schien das Fallbeil des Gesetzes zu locken.
    In diesem Augenblick fielen die schrägen Sonnenstrahlen voll auf die drei Köpfe, zu denen der Hund manchmal aufsah. Die Szene spielte übrigens auf einem prächtigen Schauplatz. Das Rondel lag am Rande des Parks von Gondreville, eines der reichsten Güter von Frankreich und unstreitig des schönsten im Departement Aube. Es besaß prächtige Ulmenalleen, ein Schloß nach den Plänen Mansards, einen ummauerten Park von fünfzehnhundert Morgen, neun große Pachthöfe, einen Wald, Mühlen und Wiesen. Dieser fast königliche Besitz gehörte vor der Revolution der Familie von Simeuse. Ximeuse ist ein Lehnsgut in Lothringen. Der Name wurde Simeuse ausgesprochen und schließlich auch so geschrieben.
    Das große Vermögen der Simeuses, eines Geschlechts, das dem Hause Burgund anhing, geht bis auf die Zeit zurück, da die Guises die Valois bedrohten. Erst Richelieu, dann Ludwig XIV. hatten sich der Anhänglichkeit der Simeuses an das aufsässige lothringische Haus der Guises erinnert und sie von sich gestoßen. Der damalige Marquis von Simeuse, ein alter Burgunder, Anhänger der Guises und der Liga und ein alter Mitkämpfer der Fronde, der den vierfachen Groll des Adels gegen das Königtum geerbt hatte, zog nach Cinq-Cygne. Der vom Louvre abgewiesene Höfling hatte die Witwe des Grafen von Cinq-Cygne geheiratet, aus der jüngeren Linie des berühmten Hauses von Chargeboeuf, eines der erlauchtesten in der alten Grafschaft Champagne; aber die jüngere Linie wurde ebenso berühmt und noch reicher als die ältere. Der Marquis, einer der reichsten Leute der Zeit, baute Gondreville, statt am Hofe sein Geld zu vergeuden, brachte die Güter zusammen und kaufte noch Land hinzu, lediglich, um sich eine schöne Jagd zu schaffen. Ebenso erbaute er in Troyes das Hotel Simeuse unweit des Hotels Cinq-Cygne. Diese beiden alten Häuser und der erzbischöfliche Palast waren in Troyes lange die einzigen Steinbauten. Der Marquis verkaufte Simeuse an den Herzog von Lothringen. Sein Sohn vergeudete die Ersparnisse und einen Teil des großen Vermögens unter der Regierung Ludwigs XV. Aber er wurde zuerst Geschwaderchef und dann Vizeadmiral und machte seine Jugendtorheiten durch glänzende Dienste wett. Der Marquis von Simeuse, der Sohn dieses Seemannes, starb zu Troyes auf dem Schafott. Er hinterließ zwei Zwillingssöhne, die auswanderten und gegenwärtig im Ausland das Schicksal des Hauses Condé teilten.
    Das Rondel war ehemals der Sammelpunkt bei den Jagden des großen Marquis gewesen. So nämlich nannte man in der Familie den Erbauer von Gondreville. Seit 1789 wohnte Michu auf diesem Rondel in dem sogenannten Pavillon von Cinq-Cygne, der innerhalb des Parks lag und zur Zeit Ludwigs XIV. erbaut war. Das Dorf Cinq-Cygne liegt am Rande des Waldes von Nodesme (aus Notre-Dame verstümmelt), zu dem die Allee mit den vier Ulmenreihen führt, in der Couraut die Spione witterte. Seit dem Tode des großen Marquis war der Pavillon ganz vernachlässigt worden. Der Vizeadmiral war mehr auf See und bei Hofe als in der Champagne, und sein Sohn gab Michu das verfallene Gebäude zur Wohnung. Der edle Bau ist aus Ziegeln, an den Ecken, Türen und Fenstern aus gerillten Steinen. Beiderseits öffnet sich ein Gitter von schöner Schmiedearbeit, aber vom Rost zerfressen. Dahinter erstreckt sich ein breiter und tiefer Zwinger, aus dem kräftige Bäume hervorwachsen und dessen Brüstung mit eisernen Arabesken gespickt ist, die den Missetätern mit zahllosen Spitzen entgegenstarren. Die Parkmauern beginnen erst jenseits des von dem Rondel gebildeten Kreises. Außerhalb wird das mächtige Halbrund von Böschungen umrahmt, die mit Ulmen bestanden
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