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Eine dunkle Geschichte (German Edition)

Eine dunkle Geschichte (German Edition)

Titel: Eine dunkle Geschichte (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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sind, und ebenso wird der im Park liegende Halbkreis von Gruppen exotischer Bäume eingefaßt. In der Mitte des Rondels, das diese beiden Hufeisen bilden, liegt der Pavillon. Michu hatte aus den alten Sälen im Erdgeschoß einen Pferde- und Kuhstall, eine Küche und einen Holzschuppen gemacht. Von der alten Pracht blieb als einziger Rest ein Vorzimmer mit schwarzen und weißen Marmorfliesen, das man vom Park her durch eine jener Fenstertüren mit kleinen Glasscheiben betrat, wie man sie noch in Versailles sah, bevor Louis Philippe es zum Lazarett der Ruhmestaten Frankreichs gemacht hat. Im Innern wird der Pavillon durch eine charaktervolle, aber alte und wurmstichige Holztreppe geteilt, die zum Oberstock führt. Hier liegen fünf ziemlich niedrige Zimmer. Darüber dehnt sich ein riesiger Boden. Das ehrwürdige Gebäude trägt eines jener großen, vierseitigen Dächer, dessen First zwei bleierne Blumensträuße zieren und das von vier Dachluken durchbrochen wird, wie Mansard sie mit Recht liebte; denn Halbgeschosse und flache italienische Dächer sind in Frankreich ein Widersinn, gegen den das Klima sich auflehnt. Dort oben brachte Michu seine Futtervorräte unter. Der ganze Teil des Parkes um diesen alten Pavillon ist in englischem Stil angelegt. Hundert Schritt weiter bekundet ein früherer See, der zu einem fischreichen Teiche geworden ist, sein Dasein durch einen leichten Nebel über den Bäumen, sowie durch das Geschrei von tausend Fröschen, Kröten und andren Amphibien, die bei Sonnenuntergang quaken. Die Altertümlichkeit der Dinge, die tiefe Waldesstille, der Blick durch die Alleen, der Wald in der Ferne, tausend Einzelheiten, die rostzerfressenen Gitter, die bemoosten Steinmassen, alles macht diesen noch jetzt stehenden Bau poetisch. In dem Augenblick, in dem unsre Geschichte beginnt, stand Michu gegen eine bemooste Brüstung gelehnt, auf der sein Pulverhorn, seine Mütze, sein Taschentuch, ein Schraubenzieher, Lappen, kurz, alle Geräte lagen, die zu seiner verdächtigen Arbeit nötig waren. Der Stuhl seiner Frau stand mit dem Rücken gegen die Eingangstür des Pavillons, über der noch das reich gemeißelte Wappen der Simeuses mit dem schönen Wahlspruch »Si meurs« prangte. Die Mutter, in Bauerntracht, hatte ihren Stuhl vor Frau Michu gerückt, damit sie die Füße auf eine Leiste setzen konnte, damit sie vor der Feuchtigkeit geschützt waren.
    »Ist der Junge da?« fragte Michu seine Frau.
    »Er treibt sich am Teich herum. Er ist wild auf Frösche und Insekten«, sagte die Mutter.
    Michu pfiff, daß man einen Schreck bekommen konnte. Die Schnelligkeit, mit der der Knabe herbeilief, verriet, welche Strenge der Verwalter von Gondreville übte. Seit 1789, besonders aber seit 1793 war er fast Herr auf diesem Landgut. Der Schrecken, den er seiner Frau, seiner Schwiegermutter, seinem kleinen Diener mit Namen Gaucher und einer Magd namens Marianne einflößte, wurde auf zehn Meilen in der Runde geteilt. Vielleicht dürfen wir nicht länger zögern, die Gründe für diese Gesinnung anzugeben, zumal sie Michus Bildnis in geistiger Hinsicht vervollständigen werden.
    Der alte Marquis von Simeuse hatte seine Güter 1790 verlassen. Da ihm jedoch die Ereignisse zuvorkamen, hatte er sein schönes Gut Gondreville niemandem mehr anvertrauen können. Unter der Anklage, mit dem Herzog von Braunschweig und dem Prinzen von Coburg in Beziehungen zu stehen, wurden der Marquis und seine Gemahlin eingekerkert und von dem Revolutionstribunal in Troyes, dessen Vorsitz Marthas Vater führte, zum Tode verurteilt. Der schöne Besitz wurde also als Nationalgut verkauft. Bei der Hinrichtung des Marquis und der Marquise bemerkte man mit einer Art von Grauen den Verwalter von Gondreville, der Vorsitzender des Jakobinerklubs von Arcis geworden und eigens nach Troyes gekommen war, um ihr beizuwohnen. Als Sohn eines einfachen Bauern und als Waisenkind war Michu von der Marquise mit Wohltaten überhäuft worden, denn sie hatte ihn im Schlosse erziehen lassen und ihn dann zum Generalverwalter gemacht. So wurde er von den Heißspornen als Brutus angesehen, aber in der Gegend wollte nach diesem Zuge des Undanks niemand mehr mit ihm verkehren. Der Käufer war ein Mann aus Arcis, namens Marion, der Enkel eines Verwalters des Hauses Simeuse. Dieser Mann, der vor und nach der Revolution Advokat war, fürchtete den Verwalter. Er ließ ihn in seiner Stellung und gab ihm dreitausend Franken Gehalt und Anteil an allen Verkäufen. Michu, der bereits
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