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Eine dunkle Geschichte (German Edition)

Eine dunkle Geschichte (German Edition)

Titel: Eine dunkle Geschichte (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Malin und nicht der Herren von Simeuse gewesen war. Der allmächtige Staatsrat war die größte Persönlichkeit in Arcis. Er hatte einen seiner politischen Freunde zum Präfekten von Troyes gemacht, hatte den Sohn eines Pächters von Gondreville, namens Beauvisage, vom Militärdienst befreit und erwies jedermann Dienste. Diese Sache konnte also in der Gegend, in der Malin herrschte und noch herrscht, nicht auf Widerspruch stoßen. Man stand im Morgenrot des Kaiserreichs. Wer heute die Geschichte der französischen Revolution liest, wird nie begreifen, welch ungeheurer Abstand für das öffentliche Denken in den so dicht aufeinanderfolgenden Ereignissen jener Zeit lag. Bei dem allgemeinen Bedürfnis nach Ruhe und Frieden, das man nach so heftigen Erschütterungen empfand, gerieten die schwersten früheren Ereignisse in Vergessenheit. Die Geschichte veraltete rasch. So forschte denn niemand außer Michu nach der Vorgeschichte dieser Sache, die man ganz einfach fand. Marion hatte Gondreville seinerzeit für sechshundertausend Franken in Assignaten gekauft und verkaufte es jetzt für eine Million in Talern, aber das einzige, was Malin bezahlte, war die Verkaufssteuer. Grevin, ein Kollege Malins, begünstigte diese Schiebung natürlich, und der Staatsrat belohnte ihn durch die Ernennung zum Notar in Arcis. Als diese Nachricht nach dem Pavillon gelangte, und zwar durch den Pächter eines Vorwerks Grouage, das zwischen dem Park und dem Walde, links von der schönen Allee, lag, erbleichte Michu und ging hinaus. Er lauerte Marion auf und traf ihn schließlich allein in einer Allee des Parks.
    »Der Herr verkauft Gondreville?«
    »Ja, Michu, ja. Sie bekommen einen mächtigen Mann zum Herrn. Der Staatsrat ist ein Freund des Ersten Konsuls und hat die engsten Beziehungen zu allen Ministern. Er wird Sie protegieren.«
    »So hatten Sie das Gut für ihn erworben?«
    »Das sage ich nicht«, entgegnete Marion. »Ich wußte damals nicht, wie ich mein Geld anlegen sollte. Der Sicherheit halber habe ich es in Nationalgütern angelegt, aber es paßt mir nicht, ein Gut zu behalten, das der Familie gehört, in der mein Vater...«
    »Bedienter, Verwalter war«, sagte Michu heftig.
    »Aber Sie werden es nicht verkaufen. Ich will es haben, und ich kann es bezahlen.
    »Du?«
    »Jawohl, ich, im Ernst und in gutem Gold, achthunderttausend Franken...«
    »Achthunderttausend Franken? ... Wo hast du die her?« fragte Marion.
    »Das ist meine Sache«, entgegnete Michu. Dann mäßigte er sich und setzte leiser hinzu: »Mein Schwiegervater hat viele Menschen gerettet.«
    »Du kommst zu spät, Michu, die Sache ist abgeschlossen.«
    »Sie werden es rückgängig machen!« rief der Verwalter, indem er die Hand seines Herrn ergriff und sie wie in einem Schraubstock preßte. »Ich bin verhaßt, ich will reich und mächtig werden, ich muß Gondreville haben. Wissen Sie, mir liegt nichts am Leben. Sie werden mir das Gut verkaufen, oder ich schieße Sie nieder ...«
    »Aber ich muß doch wenigstens Zeit haben, mich mit Malin zu einigen. Er ist nicht bequem ...«
    »Ich gebe Ihnen vierundzwanzig Stunden Zeit. Wenn Sie ein Wort davon sagen, so schneide ich Ihnen den Kopf ab wie eine Rübe ...«
    Marion und Malin verließen das Schloß noch in der Nacht. Marion hatte Angst und teilte dem Staatsrat jene Begegnung mit, mit der Bitte, ein Auge auf den Verwalter zu haben. Marion vermochte sich der Verpflichtung nicht zu entziehen, das Gut an den abzutreten, der es ihm wirklich bezahlt hatte, aber Michu schien nicht der Mann, einen solchen Grund einzusehen und gelten zu lassen. Zudem mußte der Dienst, den Marion dem Malin erwies, ihm und seinem Bruder die politische Laufbahn eröffnen, und so geschah es auch. Malin ließ den Advokaten Marion 1806 zum Präsidenten eines kaiserlichen Gerichtshofes ernennen, und sobald Generalsteuereinnehmer eingesetzt wurden, verschaffte er dem Bruder des Advokaten diesen Posten im Departement Aube.
    Der Staatsrat empfahl Marion, in Paris zu bleiben, und erstattete Anzeige beim Polizeiminister, der den Verwalter überwachen ließ. Um Michu jedoch nicht zum Äußersten zu treiben, vielleicht auch, um ihn besser zu überwachen, behielt Malin ihn als Verwalter unter der Zuchtrute des Notars in Arcis. Fortan genoß Michu, der immer schweigsamer und nachdenklicher wurde, den Ruf eines Mannes, der zu einem schlimmen Streich fähig war. Als Staatsrat, eine Stellung, die der Erste Konsul damals der eines Ministers gleichstellte, und als einer
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