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Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)

Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)

Titel: Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)
Autoren: Sarah Harvey
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zweite Familie für mich«, erklärt sie entschuldigend.
    Florrie hat sogar Bilder von Sallys Hochzeit. Auch von mir ist eines dabei, auf dem praktisch nur Hut, Mund und Beine zu sehen sind, doch Gott sei Dank kein Gesicht, wie vorhergesagt.
    »Dein Vater hat sie für mich gemacht«, sagt sie wehmütig. »Ich wäre wirklich gern gekommen.«
    »Das wäre schön gewesen.« Ich schenke ihr ein strahlendes Lächeln. »Ich hätte eine Freundin gebrauchen können.«
    »Die Sonne ist an der Umzäunung vorbei«, verkündet Dad und hievt seinen hochgewachsenen Körper von dem niedrigen Chintzsofa. »Hat jemand Lust auf ein Bierchen?«
    »Himmel!« Florrie wirft einen Blick auf die hübsche Standuhr, die still in einer Ecke vor sich hin tickt. »Ist es etwa schon so spät? Geht ihr zwei ruhig, ich muss mich um das Mittagessen kümmern.«
    »Bist du sicher?«, frage ich. Mir ist bewusst, dass sie sich den ganzen Morgen im Hintergrund gehalten hat, sodass ich allein mit meinem Vater sein kann. »Ich fände es schön, wenn du mitkommst.«
    Sie sieht erfreut aus, lehnt aber dennoch ab.
    »Aber natürlich. Ihr zwei habt eine Menge nachzuholen.« Sie wechselt einen Blick mit Dad. Mit anderen Worten: Er soll ein bisschen Zeit mit mir allein verbringen, um zu versuchen, das schreckliche Geheimnis aus mir herauszukitzeln, das seiner älteren Tochter so zusetzt.
    »Wir sollten hier bleiben und dir mit dem Essen helfen«, sage ich, da ich mir nicht sicher bin, ob ich so in die Zange genommen werden will.
    »Unsinn, du bist zu Gast hier. Außerdem hält es meine Finger geschmeidig, Erbsen zu pulen. Das ist gut gegen Rheuma.«
    »Warum kommst du nicht einfach nach, wenn du fertig bist?« Ich drücke ihre Hand. »Das würde mich wirklich freuen.«
    Das White Horse ist ein schmales, flaches Gebäude aus bröckelndem weißen Kalk, der von schwarzen Balken zusammengehalten wird, ähnlich wie die Walknochen des Korsetts einer vornehmen alten Dame. Als wir unter dem niedrigen Türbalken hindurchtauchen und den gemütlichen, verrauchten Schankraum betreten, wird Dad von allen Seiten begrüßt. Offensichtlich ist er Stammgast. Es ist schon seltsam, sich vorzustellen, dass diese Menschen meinen Vater seit mehr als sechs Jahren kennen. Er ist ein alter Freund von ihnen, obwohl dieser Teil seines Lebens für mich völlig neu ist.
    »Hallo, Evan«, ruft Dad dem stämmigen, dunkelhaarigen Mann mit Schnauzer hinter dem Tresen zu. Der Wirt grinst breit und entblößt dabei eine Reihe schöner weißer Zähne, die wie Perlen in dem rosa Zahnfleisch sitzen.
    »Tag, Drew. Das übliche?« Obwohl er aussieht, als sei er aus den Glorreichen Sieben entsprungen, spricht er mit tiefer Stimme und ausgeprägtem Akzent. Er holt eine Flasche Whisky vom Regal über seinem Kopf.
    »So ganz ohne Roger?«, erkundigt er sich.
    »Heute habe ich bessere Gesellschaft.« Lächelnd drückt Dad meine Hand.
    »Das sehe ich.« Evans breites, strahlend weißes Grinsen gilt nun mir. »Willst du uns nicht bekannt machen?«
    »Das ist meine ältere Tochter, Fliss.«
    »Deine Tochter? Nein! Das glaube ich nicht. Wie konnte so ein alter Knabe wie du denn ein so hübsches junges Mädchen zustande bringen?«
    Wir nehmen unsere Gläser mit nach draußen und setzen uns auf eine der mit Bierflecken übersäten Bänke, von denen aus man die Dorfwiese überblicken kann.
    »Prost.« Dad hebt sein Glas. »Und, was sagst du zu meiner Florrie?«
    In seiner Stimme und diesem »meiner« schwingt Stolz mit.
    »Sie ist toll«, erwidere ich und bin froh darüber, wahrheitsgemäß antworten zu können.
    »Ich wusste, dass du sie mögen würdest.« Er lächelt erleichtert. »Sie mag dich auch, sehr sogar, das sehe ich. Seit ich hierher gezogen bin, war ich so glücklich, dass ich mich frage, wie ich es so lange mit deiner Mutter aushalten konnte.«
    Das habe ich mich auch oft gefragt.
    Ich picke die Zitronenscheibe aus meinem Gin-Tonic und sauge genussvoll das saure Fruchtfleisch aus. Es passt zu meiner säuerlichen Stimmung. In letzter Zeit habe ich mich auch gefragt, warum Dad nie das Gefühl hatte, er könne mir das mit Florrie anvertrauen. Um ehrlich zu sein, verletzt mich das ein bisschen.
    »Warum hast du mir nie von ihr erzählt, Dad?«, frage ich zögernd.
    »Was ist los, Fliss?« Mein angespannter Tonfall ist ihm nicht entgangen.
    »Nichts. Ich freue mich für dich, wirklich, aber …«
    Es ist schwer, meine Gefühle in Worte zu fassen. Angesichts von Dads zweiter Existenz kommt alles wieder
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