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Eine Braut von stuermischer Natur

Eine Braut von stuermischer Natur

Titel: Eine Braut von stuermischer Natur
Autoren: Lynsay Sands
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Osgoode kam um die Ecke der nächst gelegenen Hütte gestürmt. Erst da begriff Murie, wessen Gestalt sie soeben wahrgenommen hatte – die ihres Gemahls. Ihre Verwirrung wich Bestürzung. Benommen richtete sie sich auf, ihr Gesicht schwenkte zu dem am Boden liegenden Paar. Sie sah, dass Balan geschmeidig auf die Füße sprang und Cecily mit sich hochriss. Erst als beide standen und er sie heftig zu sich herumdrehte, sodass die Zofe ihn anschauen musste, bemerkten sie das Messer, dessen Knauf Cecily fest umklammert hielt und dessen Klinge in ihrer Brust steckte. Sie war in die Waffe gestürzt, als Balan sie überwältigt hatte. Er gab ihren Arm frei und trat einen Schritt zurück, ebenso erschüttert über ihre Verletzung wie die anderen.
    Cecily maß die drei mit einem verächtlichen Blick und wich schwankend zurück. Dann sah sie auf ihre Brust und bemerkte das Messer. Ein kleines Lachen schlüpfte über ihre Lippen. Sie schüttelte den Kopf, stolperte einen weiteren Schritt zurück, ehe sie mit einem leisen Seufzer zusammenbrach.
    Sofort kniete Balan neben ihr und drehte Cecilys Gesicht zu sich. Er hob ihre Augenlider, senkte den Kopf und brachte sein Ohr an ihren Mund. Ein verschwindend kurzer Augenblick verstrich, dann richtete er sich wieder auf.
    »Ist sie …?«, fragte Osgoode.
    Bevor Balan antworten konnte, kam Murie ihm zuvor. »Ja.«
    »Woher weißt du das, Frau?«, fragte ihr Gemahl und zog forschend seine Brauen hoch.
    »Ich habe im Wald den Kuckucksruf gehört. Das bedeutet, dass jemand sterben wird«, lautete ihre schlichte Erklärung. Sie kehrte ihnen den Rücken und wollte die Hütte umrunden, in der sie sich versteckt gehalten hatte. Sie fühlte sich ein bisschen wacklig auf den Beinen und war nicht sicher, was sie nach dem Tod der Frau empfand. Einen Teil von ihr erfüllte Beklommenheit. Schließlich war die Bedienstete zehn Jahre lang ihre Zofe gewesen. Der andere Teil jedoch Erleichterung – ihre Sorgen um das Wohlergehen ihres Gemahls hatten ein Ende gefunden.
    Murie war nur wenige Schritte gegangen, als Balan sie in seine Arme hob.
    »Ich liebe dich, Murie«, flüsterte er. Er drückte sie an sich, als wollte er sie niemals wieder loslassen.
    »Ich liebe dich auch, Balan«, flüsterte sie, ihren Kopf an seine Schulter geschmiegt. Es war das schlichte Bekenntnis ihrer Liebe, mehr gab es nicht zu sagen.

19
    »Wie geht es Murie?«, fragte Osgoode mit gedämpfter Stimme.
    »Sie wird wieder gesund«, raunte Balan und gesellte sich zu den Männern, die an der langen Tafel im Saal saßen. Er nahm den Krug Bier, den sein Cousin ihm hinschob.
    Balan hatte seine Gemahlin auf direktem Wege in den Wohnturm gebracht, wo Murie ihnen die gesamte Unterredung einschließlich Cecilys Enthüllungen schilderte. Als sie geendet hatte, äußerte Balan die Vermutung, dass die Ärmste nicht ganz richtig im Kopf gewesen sei. Er leistete seiner Gemahlin noch ein Weilchen Gesellschaft in ihren gemeinsamen Gemächern auf dem Söller, brachte sie zu Bett und hielt ihre Hand, bis sie eingeschlummert war.
    »Sie ist erschöpft und die Geschehnisse des heutigen Tages haben sie sehr mitgenommen, aber sie wird sich davon erholen«, meinte Balan. »Sie ist ein ungemein zähes Persönchen.«
    »Wahrhaftig, das ist sie«, räumte Osgoode ein, seine Stimme seltsam belustigt und seine Augen gebannt auf einen Punkt über Balans Schulter geheftet. Das lenkte den Blick seiner Lordschaft unweigerlich zu der Treppe, die ins obere Geschoss führte und die Murie soeben heruntergestürmt kam.
    Seine Miene verfinsterte sich. Ärgerlich schob er den Bierkrug von sich und wartete, dass sie zu ihm käme, um sie für ihre Unvernunft zu schelten, nicht das Bett zu hüten und sich zu schonen. Doch er täuschte sich gewaltig. Murie schenkte ihm keine Beachtung, sondern strebte durch die große Halle und zum Eingangsportal.
    »Was mag sie vorhaben?«, fragte Osgoode neugierig.
    Statt einer Antwort erhob Balan sich kopfschüttelnd, um Murie zu folgen. Er trat aus dem Portal, öffnete den Mund, um nach seiner Frau zu rufen, die leichtfüßig die Stufen hinuntersetzte, und schloss ihn unverrichteter Dinge wieder, als er die Eskorte bemerkte, die soeben durch die Schlosstore ritt.
    »Was hat das zu bedeuten?«, knurrte er ungnädig.
    »Oh, ich habe versäumt, es dir zu berichten«, bemerkte Osgoode, der unversehens an Balans Seite getreten war. »Unsere Leute haben einen herannahenden Reisetross erspäht, als du auf dem Söller bei deiner Gemahlin
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