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Eine bezaubernde Erbin

Eine bezaubernde Erbin

Titel: Eine bezaubernde Erbin
Autoren: Sherry Thomas
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ein heftiger Schlag gewesen, aber bei Weitem nicht niederschmetternd. Er hatte sich für das Militär entschieden, weil es ihm etwas abverlangen würde. Ein Anwesen vor dem Ruin zu retten und wiederaufzubauen, war ebenso anspruchsvoll und ehrenhaft. Und er hatte nicht angenommen, dass es Isabelle etwas ausmachen würde, Countess zu werden. Sie würde eine hervorragende Figur in der Gesellschaft abgeben.
    Aber sobald er Henley Park, seinen neuen Wohnsitz, betrat, gerann ihm das Blut in den Adern. Er war mit seinen neunzehn Jahren kein armer Earl geworden, sondern ein vollkommen mittelloser.
    Der Zustand des Landsitzes war erschreckend. Die Orientteppiche im Herrenhaus waren mottenzerfressen, genau wie die Samtvorhänge. Durch viele der Kamine zog der Rauch nicht ab: Die Wände und Gemälde waren rußgeschwärzt. Und in jedem der oberen Räume waren die Decken grün und grau mit Schimmel bedeckt, der sich wie die Linien einer verzerrten Landkarte überallhin ausbreitete.
    Ein Haus von dieser Größe benötigte fünfzig Diener allein im Haus und kam notfalls mit dreißig aus. Aber in Henley Park waren die Bediensteten auf fünfzehn gekürzt worden, von denen die eine Hälfte zu jung – viele der Hausmädchen waren gerade erst zwölf Jahre alt – und die andere zu alt war. Einige der Bediensteten arbeiteten schon ihr ganzes Leben für die Familie und konnten nirgendwo anders hin.
    In seinem Zimmer knarzte alles: der Boden, das Bett, die Türen des Kleiderschrankes. Die Rohrleitungen waren hoffnungslos veraltet. Der lange Niedergang des Familienvermögens hatte begonnen, ehe es zu entscheidenden Modernisierungen der Innenausstattung hatte kommen können. In den drei Nächten, die er dort verbracht hatte, hatte er zitternd vor Kälte dagelegen und den munteren Zusammenkünften der Ratten in den Wänden gelauscht.
    Es war noch einen Schritt von einer völligen Ruine entfernt, aber es war nur ein sehr kleiner Schritt.
    Isabelles Familie war durch und durch ehrbar. Die Pelhams, wie die Fitzhughs selbst, waren mit einigen Familien des Hochadels verwandt und galten allgemein als zuverlässig, aufrecht und gottesfürchtig, kurz: sie waren so etwas wie der Stolz des niederen Adels. Aber weder die Fitzhughs noch die Pelhams waren wohlhabend. Die Geldmittel, die sie zusammenkratzen konnten, würden nicht einmal reichen, um das Dach von Henley Park abzudichten oder das verrottende Fundament instand zu setzen.
    Wenn es aber nur das Haus gewesen wäre, hätten sie es mit einigen Entbehrungen noch irgendwie hinbekommen. Unglücklicherweise hatte er auch achtzigtausend Pfund Schulden geerbt. Und davor gab es kein Entkommen.
    Wäre er zehn Jahre jünger, hätte er seinen Kopf in den Sand stecken können und Colonel Clements hätte sich um seine Probleme kümmern müssen. Aber in zwei Jahren wurde er volljährig, war also fast schon ein Mann. Er konnte vor seinen Problemen nicht davonlaufen, die sich mit jedem Augenblick der Unachtsamkeit mit Sicherheit nur verschlimmern würden.
    Die einzige mögliche Lösung bestand im Verkauf seiner Person. Er würde seinen verfluchten Titel gegen eine Erbin tauschen, deren Vermögen groß genug war, um seine Schulden zu begleichen und sein Haus zu retten.
    Aber dazu musste er Isabelle aufgeben.
    „Lass uns nicht mehr davon reden“, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen.
    Er verlangte nicht viel vom Leben. Der Weg, den er für sich selbst vorgezeichnet hatte, war einfach und geradlinig: Offiziersausbildung in Sandhurst, der ein Offizierspatent folgen würde, und sobald er seine erste Beförderung erhielt, wollte er um ihre Hand anhalten. Sie war nicht nur schön, sie war auch intelligent, widerstandsfähig und abenteuerlustig. Zusammen wären sie unglaublich glücklich geworden.
    Tränen rollten ihr über die Wangen. „Ob wir nun davon reden oder nicht, es wird ja doch geschehen.“
    Sie hob ihre Schrotflinte und schoss die letzte verbliebene Tontaube in Stücke. Zersplittert wie sein Herz.
    „Ganz gleich, was auch passiert …“
    Er konnte nicht weitersprechen. Er war nicht länger in der Lage, ihr seine Liebe zu gestehen. Was auch immer er sagte, es würde die Sache nur noch schlimmer machen.
    „Heirate sie nicht“, flehte sie mit heiserer Stimme und feurigem Blick. „Vergiss Henley Park. Lass uns zusammen durchbrennen.“
    Wenn das doch bloß möglich wäre. „Wir sind beide noch nicht volljährig. Unsere Ehe wäre ohne die Zustimmung deines Vaters und meines Vormundes nicht gültig.
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