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Eine bezaubernde Braut

Eine bezaubernde Braut

Titel: Eine bezaubernde Braut
Autoren: Julie Garwood
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betrachtete man ihn doch als Außenstehenden, und er wurde nur sehr selten an den Hof eingeladen. In seinen Adern floss das Blut der Highlander, und das machte ihn für die herrschende Kaste suspekt.
    Zusätzlich war er Furcht einflößend anzusehen, denn er maß über einen Meter fünfundachtzig, hatte zerzaustes schwarzes Haar und ein ständig grimmig verzogenes Gesicht. Alford sah diese Abschiebung als Strafe für Gillian an, doch ihr Exil am Ende der Welt erwies sich für sie als Segen. Zwar wirkte ihr Onkel nach außen hin mürrisch und unnahbar, doch er besaß das Herz eines Heiligen. Er war ein sanfter, liebevoller Mann, dem ein einziger Blick auf die totenblasse Gillian genügte, um zu sehen, dass sie verwandte Seelen besaßen. Er raunzte Liese an, dass er sein friedliches Leben nicht von einem Kind stören lassen wolle, doch straften seine ruppigen Worte selbst sofort Lügen, indem er all seine Zeit aufwendete, Gillian zu heilen. Er liebte sie wie ein Vater und machte es sich zu seiner Aufgabe, sie wieder zum Sprechen zu bringen. Morgan wollte das Kind lachen hören, doch sorgte er sich, dass seine Hoffnungen nicht erfüllt werden würden.
    Auch Liese machte es sich zur Pflicht, Gillian zu helfen, die Tragödie zu verarbeiten, die ihre Familie ausgelöscht hatte. Nach vielen Monaten, in denen sie ihr unentwegt geduldig zugeredet und versucht hatte, sie zu trösten, stand ihre Zofe wegen ihres Misserfolges kurz vor der Verzweiflung. Sie schlief zusammen mit dem kleinen Mädchen in einem Zimmer, damit sie es beruhigen und trösten konnte, wenn Gillians Albträume sie schreiend aufweckten.
    Stücke der Erinnerung an diese entsetzliche Nacht, in der ihr Vater gestorben war, hatten sich tief in den Verstand des Kindes eingegraben. Wegen ihrer zarten Jugend fiel es ihr schwer, die Wahrheit von der Einbildung zu trennen, doch sie erinnerte sich daran, dass sie sich mit ihrer Schwester um das juwelenbesetzte Kästchen gestritten und versucht hatte, es Christen aus der Hand zu nehmen, um es auch einmal zu halten. Und sie wusste auch, dass sie danach die Treppe hinuntergefallen waren, die zu den Tunneln unter dem Schloss führte. Die gezackte Narbe unter ihrem Kinn war der Beweis dafür, dass sie das alles nicht nur geträumt hatte. Sie erinnerte sich daran, dass Christen geschrien hatte. Sie erinnerte sich auch noch an das Blut. In verschwommenen, verwirrten Bildern sah sie sowohl sich als auch Christen voller Blut. Die Albträume, die sie in den dunklen Stunden der Nacht heimsuchten, waren immer die gleichen. Gesichtslose Monster mit roten, glühenden Augen und langen, peitschenähnlichen Schwänzen verfolgten sie und Christen durch einen dunklen Tunnel, doch in diesen beängstigenden Träumen war nie sie es gewesen, die ihre Schwester umgebracht hatte. Es waren die Monster gewesen.
    Es war in einer dieser Nächte, während eines heftigen Gewitters, als Gillian endlich sprach. Liese weckte sie auf, weil sie sich schreiend gegen irgendetwas wehrte, und wie immer, wickelte sie sie auch diesmal in eine der weichen, karierten schottischen Decken ihres Onkels und trug sie durch das Zimmer, um sich mit ihr ans Feuer zu setzen.
    Die untersetzte Frau nahm das Kind in ihre Arme und tröstete es. »Es ist nicht richtig, dass du dich so quälst, Gillian. Du sagst den ganzen Tag über kein Wort, und dann heulst du in der Nacht wie ein einsamer Wolf. Ist es, weil du den ganzen Schmerz in dir verschließt und ihn nicht rauslässt? Ist das der Grund dafür, mein kleiner Engel? Sprich mit mir, Kind. Erzähl mir, was dein Herz so bedrückt.«
    Liese erwartete keine Antwort, und beinahe hätte sie das kleine Mädchen vor lauter Schreck fallen gelassen, als sie sein Flüstern hörte.
    »Was hast du gesagt?«, fragte sie, ein wenig lauter, als sie es beabsichtigt hatte.
    »Ich wollte Christen nicht umbringen. Das habe ich nicht gewollt.«
    Liese brach in Tränen aus. »Oh, Gillian, du hast Christen nicht umgebracht. Das habe ich dir doch immer wieder erzählt. Ich habe gehört, was Baron Alford zu dir gesagt hat, aber er lügt. Warum willst du das denn nicht glauben? Baron Alford ist nur grausam zu dir.«
    »Sie ist tot.«
    »Nein, sie ist nicht tot.«
    Gillian blickte zu Liese auf und versuchte, von ihrem Gesichtsausdruck abzulesen, ob sie ihr die Wahrheit sagte. Sie wünschte sich verzweifelt, ihr glauben zu können.
    »Christen lebt«, versicherte ihr Liese noch einmal und nickte bekräftigend. »Hör mir zu. Ganz gleich, wie
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