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Eine Andere Welt

Eine Andere Welt

Titel: Eine Andere Welt
Autoren: Philip K. Dick
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Himmel, er war schon so todmüde, erschöp von seiner stundenlangen Schau und ihren Anforderungen an seine Geistesgegenwart, vom ständigen Lächeln und Scherzen gar nicht zu reden. »Ich bin unterwegs in die Schweiz«, sagte er mit fester Stimme, als ob er es mit einem hysterischen Kind zu tun häe. Meistens wirkte es, wenn Marilyn in einer ihrer anklagenden, quasi-paranoiden Stimmungen war. Aber natürlich nicht dieses Mal.
»Mit deinem Rolls-Düsending kannst du in fünf Minuten hier sein«, lärmte Marilyn in sein Ohr. »Ich will bloß fünf Sekunden mit dir sprechen. Ich habe dir etwas sehr Wichtiges zu sagen.«
Wahrscheinlich ist sie schwanger, sagte sich Jason. Irgendwann hat sie vergessen, die Pille zu nehmen – absichtlich oder vielleicht unabsichtlich.
»Was kannst du mir in fünf Sekunden sagen, wovon ich nicht schon weiß?« sagte er scharf. »Sag es mir jetzt.«
»Ich will dich hier bei mir haben«, erwiderte Marilyn mit ihrer gewohnten Rücksichtslosigkeit. »Du mußt kommen. Ich habe dich seit sechs Monaten nicht gesehen, und während dieser Zeit habe ich viel über uns nachgedacht. Und im besonderen über dieses letzte Vorsingen.«
»Also gut«, sagte er verbiert. Dies war der Dank dafür, daß er versucht hae, ihr – einer völlig untalentierten Person – eine Karriere zu vermieln. Er warf den Hörer auf die Gabel, wandte sich zu Heather und sagte: »Ich bin froh, daß du ihr nie begegnet bist; sie ist wirklich eine ...«
»Unsinn«, versetzte Heather. »Ich bin ihr ›nicht begegnet‹, weil du verdammt umsichtig bemüht warst, es zu verhindern.«
»Jedenfalls«, sagte er, während er die Maschine in eine Rechtskurve legte, »verschae ich ihr nicht nur eine, sondern zwei Gelegenheiten zum Vorsingen, und sie versaute sich beide Male die Chance. Um ihre Selbstachtung zu bewahren, muß sie die Schuld natürlich auf andere abwälzen, zum Beispiel auf mich. Irgendwie war ich für ihr Versagen verantwortlich. Du siehst das Bild.«
»Hat sie hübsche Tien?« fragte Heather.
»Ja, schöne Tien hat sie. Das kann man wohl sagen.« Er grinste, und Heather lachte. »Du kennst meine Schwäche. Aber ich habe meinen Teil der Abmachung gehalten; ich verschae ihr eine Chance bei den richtigen Leuten – zwei Chancen sogar. Der zweite Termin war vor sechs Monaten, und ich nehme an, sie grollt und grübelt immer noch.« Er drückte die Nummernkombination des Landeprogramms für den kleinen Hubschrauberplatz auf dem Dach des Wohnblocks, in dem Marilyn ihre Wohnung hae.
»Wahrscheinlich liebt sie dich«, sagte Heather, als die Maschine aufsetzte.
»Wie vierzig Millionen andere«, sagte Jason heiter.
Heather klappte ihren Sitz zurück und machte es sich bequem. »Bleib nicht allzu lange aus, oder ich starte ohne dich, so wahr mir Go helfe.«
»Du willst mich mit Marilyn sitzenlassen?« sagte er. Sie lachten beide. »Bin gleich wieder da.« Er stieg aus, ging hinüber zum Aufzug und drückte den Knopf.
Als er Marilyns Wohnung betrat, sah er sofort, daß sie außer sich war. Mit dem starren, verkniffenen Gesicht und dem zusammengezogenen Körper sah sie aus, als versuche sie sich selbst zu verschlingen.
Und die Augen! An Frauen konnte ihn nur wenig in Unbehagen versetzen, aber diese Augen taten es. Völlig rund, mit riesigen Pupillen, schienen sie ihn durchbohren zu wollen, als er ihr gegenüberstand. Alles an ihr wirkte angespannt, steif und verhärtet.
»Nun, was gibt es?« fragte Jason, um die Initiative zu behalten. Im allgemeinen – eigentlich immer – wurde er mit jeder Situation fertig, die mit einer Frau zusammenhing; der Umgang mit Frauen war in gewisser Weise sogar seine Spezialität. Aber dies ... Sie war ihm nicht geheuer. Und sie sagte noch immer nichts. Ihr Gesicht war unter den Schichten des Make-up völlig blutleer, als ob sie ein wandelnder Leichnam wäre. »Du möchtest eine drie Chance?« fragte Jason. »Ist es das?«
Marilyn schüelte den Kopf.
»Na schön; dann sag mir, was es ist«, sagte er geduldig, aber mit einem Anflug von Überdruß. Sein starkes Unbehagen ließ er sich nicht anmerken; er war viel zu schlau und erfahren, um ihr seine Unsicherheit zu zeigen. Nach seiner Erfahrung lief eine Konfrontation mit einer Frau zu neunzig Prozent auf Bluff hinaus, und zwar von beiden Seiten. Es kam weniger darauf an, was man tat oder sagte, als vielmehr darauf, wie man es vorbrachte.
»Ich habe etwas für dich.«
Marilyn wandte sich um und ging in die Küche hinaus. Er schlenderte ihr nach.
»Du gibst
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