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Eine Andere Welt

Eine Andere Welt

Titel: Eine Andere Welt
Autoren: Philip K. Dick
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vor einem Augenblick gekommen; was er mit dem Geld vorgehabt hae, war etwas anderes: er hae damit in Las Vegas spielen wollen. Als Sechser konnte er bei Kartenspielen immer gewinnen; er war allen Mitspielern gegenüber im Vorteil, selbst dem Bankhalter.
»Du lügst«, sagte Heather. »Du haest nicht die Absicht, mir was zu kaufen; das tust du nie, du bist so selbstsüchtig und denkst immer nur an dich.
Das ist Puffgeld; du wolltest dir damit irgendeine vollbusige Blondine kaufen und mit ihr ins Be steigen. Wahrscheinlich in unserem Haus in Zürich, wo ich, wie du weißt, seit vier Monaten nicht mehr gewesen bin. Ich könnte genausogut schwanger sein.«
Es kam ihm seltsam vor, daß sie von allen denkbaren Entgegnungen, die in ihrem Bewußtsein aufsteigen mochten, gerade diese aussprach. Aber es gab vieles an Heather, was er nicht verstand; sie wußte ihre Geheimnisse zu wahren, vor ihm wie vor ihren Fans.
Trotzdem hae er mit den Jahren viel über sie gelernt. Er wußte zum Beispiel, daß sie im Jahr 1982 eine Abtreibung gehabt hae, was auch ein wohlgehütetes Geheimnis war. Er wußte, daß sie einmal die ungesetzlich angetraute Frau eines Studentenführers gewesen war und ein Jahr lang in dem Höhlenlabyrinth unter der Columbia-Universität gelebt hae, zusammen mit den stinkenden, bärtigen Studenten, die von den Bullen und den Nazis zu einem lebenslangen Maulwurfsdasein gezwungen wurden. Die Polizei und die Nationalgarde haen alle Universitäten hermetisch abgeriegelt und verhinderten, daß die Studenten wie Raen das sinkende Schiff verließen und ausschwärmten, um in der Gesellscha unterzutauchen.
Und er wußte, daß sie vor einem Jahr wegen Drogenbesitzes verhaet worden war.
Nur dem Umstand, daß sie einer reichen und mächtigen Familie angehörte, hae sie zu verdanken, daß sie freigekommen war: ihr Geld und ihr Charisma und ihr Ruhm haen keinen Eindruck gemacht, als es zur Konfrontation mit der Polizei gekommen war.
All das hae Narben hinterlassen, aber er wußte, daß Heather nicht unter Nachwirkungen li.
Wie alle Sechser, besaß sie eine enorme Regenerationsfähigkeit. Sie war, wie vieles andere, sorgfältig in jeden von ihnen eingebaut worden. Nicht einmal er kannte das vollständige genetische Programm. Und in den zweiundvierzig Jahren seines Lebens war ihm vieles widerfahren, das meiste allerdings in der Form von Leichen anderer Fernsehunterhalter, über die er während seines langen Aufstiegs zur Spitze gegangen war. »Diese ›lauten Krawaen‹ ...«, begann er, doch in diesem Moment läutete das Bordtelefon.
Er nahm ab und meldete sich. Wahrscheinlich war es Al Bliss, der die Einschaltquoten der heutigen Schau durchgeben wollte.
Aber er war es nicht.
Eine durchdringende, scharfe Mädchenstimme schrillte ihm ins Ohr. »Jason?«
»Ja, am Apparat.«
Er hielt das Mikrofon des Hörers zu und sagte zu Heather: »Es ist Marilyn Mason. Warum zum Teufel habe ich ihr bloß die Nummer gegeben?«
»Wer zum Teufel ist Marilyn Mason?« fragte Heather.
»Das sag ich dir später.« Er nahm die Hand vom Hörermundstück und sagte: »Ja, mein Liebes; ich bin es, der echte und einzige Jason. Was gibt es? Deine Stimme hört sich furchtbar an. Wollen sie dich wieder aus der Wohnung vertreiben?«
Er zwinkerte Heather zu und machte eine schiefmäulige Grimasse der Hilflosigkeit.
»Schaff sie dir vom Hals«, sagte Heather.
Jason hielt abermals die Hand über das Hörermundstück und sagte: »Ich versuche es ja; kannst du es nicht sehen?« Ins Telefon sagte er: »Also, Marilyn. Schüe mir dein Herz aus; dafür bin ich schließlich da.«
Zwei Jahre lang war Marilyn Mason sozusagen sein Schützling gewesen. Sie wollte Sängerin werden – berühmt, reich, von allen geliebt. Eines Tages war sie während einer Probe ins Studio gekommen, und er war auf sie aufmerksam geworden. Angespanntes, besorgtes kleines Gesicht, kurze Beine, Rock viel zu kurz – er hae, wie er es zu tun pflegte, alles mit einem Blick registriert.
Und eine Woche später hae er bei den zuständigen Leuten der Plaenfirma Columbia einen Termin vereinbart, zu dem sie vorsingen sollte. In dieser Woche war eine Menge vorgegangen, aber es hae nichts mit Singen zu tun gehabt.
»Ich muß dich sprechen«, schrillte Marilyn. »Wenn du nicht kommst, bring ich mich um, und die Schuld wird auf dich fallen. Für den Rest deines Lebens. Und ich werde dieser Heather Hart erzählen, daß wir die ganze Zeit miteinander geschlafen haben.«
Jason seufzte in sich hinein. Lieber
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