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Eine Andere Welt

Eine Andere Welt

Titel: Eine Andere Welt
Autoren: Philip K. Dick
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sagte Jason. »Kennen Sie Jason Taverner? Sehen Sie fern?« Seine Stimme entgli an diesem Punkt beinahe der Kontrolle seines Willens; er hörte sie brechen und jäh ansteigen. Mit großer Anstrengung gelang es ihm, die Herrscha wiederzugewinnen, aber er konnte nicht verhindern, daß seine Hände zierten; tatsächlich zierte er am ganzen Körper.
»Es tut mir leid, Mr. Taverner«, sagte die Frauenstimme irritiert. »Ich kann wirklich nicht für Mr. Wolfer sprechen oder ...«
»Sehen Sie fern?« fragte er.
»Ja.«
»Und Sie haben noch nicht von mir gehört? Sie wissen nichts von der ›Jason-Taverner-Unterhaltungsshow‹ Dienstag abends um neun?«
»Tut mir leid, Mr. Taverner. Sie sollten wirklich lieber direkt mit Mr. Wolfer sprechen. Geben Sie mir die Nummer des Telefons, von dem aus Sie sprechen, und ich werde dafür sorgen, daß er im Laufe des Nachmiags zurückru.«
Er legte auf.
Ich bin verrückt, dachte er. Oder sie ist verrückt. Sie und Al Bliss, dieser Hurensohn. Go. Er wandte sich um und entfernte sich unsicher vom Telefon, setzte sich in einen der verschossenen Sessel. Es war angenehm, zu sitzen; er schloß die Augen und atmete langsam und tief. Und überlegte.
Ich habe fünausend Dollar in Banknoten, sagte er sich. Also bin ich nicht völlig hilflos. Und dieses Ding ist weg, einschließlich seiner Saugröhren. Es muß den Ärzten im Krankenhaus gelungen sein, sie chirurgisch zu entfernen. Also bin ich wenigstens am Leben und kann mich darüber freuen. Ist ein längerer Zeitraum verstrichen? Wo ist eine Zeitung?
Auf einer Couch in der Nähe fand er eine ›Los Angeles Time‹ und las das Datum. 12. Oktober 1988. Es gab also keinen Verzögerungseffekt irgendwelcher Art. Dies war der Tag nach seiner Schau, derselbe Tag, an dem er sterbend ins Krankenhaus eingeliefert worden war.
Ihm kam eine Idee. Er durchbläerte die Zeitung, bis er die Seite fand, die dem lokalen Angebot an Unterhaltung gewidmet war. Gegenwärtig trat er allabendlich im Hollywood-Hilton auf, jedenfalls mit Ausnahme der Dienstage, und das Engagement lief bereits seit drei Wochen.
Die Anzeige, welche das Hotel während der letzten drei Wochen für ihn eingerückt hae, war nirgendwo auf der Seite zu finden. Verdutzt fragte er sich, ob sie vielleicht auf eine andere Seite umgestellt worden sei, und kämmte alle in Frage kommenden Seiten der Zeitung sorgfältig durch. Es gab viele Anzeigen von Hotels und Nachtklubs, in denen alle möglichen Sänger und Unterhalter angepriesen wurden, aber er wurde nirgends erwähnt. Und in den vergangenen zehn Jahren war kaum ein Tag vergangen, ohne daß sein Gesicht in irgendeiner Zeitung abgebildet gewesen wäre.
Ich werde noch einen Versuch machen, entschied er. Ich werde Mory Mann anrufen.
Er zog seine Brieasche und suchte nach dem Zeel, auf dem er Morys Nummer notiert hae.
Seine Brieasche war sehr dünn.
All seine Personalpapiere und Ausweiskarten waren verschwunden. Ausweise, die es ihm möglich machten, am Leben zu bleiben; Ausweise, mit denen er Straßensperren von Polizei und Nationalgarde passieren konnte, ohne befürchten zu müssen, daß sie ihn kurzerhand erschießen oder in ein Zwangsarbeitslager stecken würden.
Ohne meine Papiere kann ich keine zwei Stunden unbehelligt leben, sagte er sich verzweifelt. Ich kann nicht einmal wagen, dieses heruntergekommene Hotel zu verlassen und auf die Straße zu gehen. Man wird mich für einen Studenten oder Lehrer halten, der aus einem abgesperrten Universitätsgelände entkommen ist. Ich werde den Rest meines Lebens als Sklave mit schwerer körperlicher Arbeit verbringen. Ich bin, was man eine ›Unperson‹ nennt.
In erster Linie kam es aufs Überleben an. Zum Teufel mit Jason Taverner, dem Fernsehstar; um den konnte man sich später kümmern.
Ich bin nicht wie andere Männer, sagte er sich. Ich werde mich da herausarbeiten, was immer es ist. Irgendwie.
Zum Beispiel konnte er einen Teil des Geldes, das er bei sich hae, für falsche Ausweispapiere verwenden. Er wußte, daß es unten in Wa s illegale Werkstäen gab, die gute Fälschungen machten. Natürlich hae er bisher nie auch nur im Traum daran gedacht, daß er jemals bei einer Fälscherwerksta Zuflucht suchen würde. Nicht Jason Taverner, ein Mann, der jeden Dienstagabend dreißig Millionen Menschen vor die Bildschirme lockte.
War es möglich, daß es unter diesen dreißig Millionen Menschen keinen gab, der sich seiner erinnerte? Wenn ›erinnern‹ das richtige Wort war. Er dachte so, als ob viel Zeit
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