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Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman

Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman

Titel: Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
Autoren: Ali Harris
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zerfressen, womöglich nie Mutter zu werden. Sie und ihr Mann wollen es nun mit einer künstlichen Befruchtung versuchen, weshalb sie unbedingt mehr verkaufen muss, um möglichst viel von ihrer Kommission zurücklegen zu können. Es ist furchtbar mit anzusehen, wie niedergeschlagen sie ist, weil nichts los ist im Laden.
    Dann fällt mein Blick auf das Foto von Guy aus der Herrenoberbekleidung. Ich vermute, er hat sich die Zähne eigens für dieses Foto bleichen lassen; man braucht beinahe eine Sonnenbrille, um nicht von diesem Strahlen geblendet zu werden. Normalerweise ist er immer famos herausgeputzt, aber in letzter Zeit fehlt ihm irgendwie das gewisse Etwas. Sein langjähriger Freund Paul hat ihn für einen jüngeren Mann sitzenlassen, und den drohenden vierzigsten Geburtstag vor Augen suhlt sich Guy nun schon seit Wochen in völlig untypischer Schwermut. Weshalb wir uns alle ein bisschen Sorgen um ihn machen.
    Ein weiteres Belegschaftsmitglied, das auf die vierzig zugeht und nicht gerade glücklich darüber ist, ist unsere Personalchefin Sharon. Sie lebt bei ihrer ältlichen Mutter. Und ich glaube, in ihrem Leben gibt es nicht viel anderes als die Arbeit. Ganz sicher bin ich mir jedenfalls, dass sie rettungslos in Rupert Hardy verknallt ist, nicht bloß, weil sie es mir selbst gestanden hat, sondern weil ich oft genug gesehen habe, wie sie ihn anschaut, wenn sie gemeinsam ihre Runde durch das Kaufhaus machen. Die sonst so harsche Sharon wirkt in seiner Nähe viel weicher; sie entspannt sich, ihre Zunge ist nicht mehr so spitz und ihr Gesicht freundlicher und herzlicher. Ich glaube, sie würde noch viel weicher werden, würde er auch nur einen Funken Interesse zeigen und ihr zu verstehen geben, dass ihre Zuneigung auf Gegenseitigkeit beruht. Tut er aber nicht, und so läuft sie durch das Kaufhaus wie eine gereizte Löwin und faucht jeden an, der ihr in die Quere kommt, womit sie sich bei ihren Kollegen schrecklich unbeliebt macht.
    Was ich deshalb so genau weiß, weil ich beim Auspacken der Ware jedem einzelnen meiner lieben Kollegen zuhöre, die reihum hereinkommen, um mal für eine Weile dem Publikumsverkehr im Verkauf zu entkommen. Wobei wir natürlich ohnehin nicht so furchtbar viele Kunden haben, um die sie sich kümmern müssten. Sie kommen also zu mir herein, und ich höre geduldig zu, was sie mir zu erzählen haben: über das Leben und die Liebe, über Probleme und Erfolge. Sie reden, und ich höre zu. Und dadurch fühle ich mich irgendwie besonders; ich bin nicht bloß eine kleine Paketauspackerin, ich bin die hausinterne Lebenshilfe, Hardy’s heimliche Kummerkastentante. Aber nicht mehr lange, sage ich mir, als ich beschwingt den Gang entlanghüpfe. Meine Tage im Warenlager sind gezählt.
    Zielstrebig laufe ich durch die Notausgangstüren, die vom Personaleingang geradewegs in das imposante Atrium im Erdgeschoss führen, mit den dunklen, holzvertäfelten Wänden und der ausladenden Treppe (neumodischen Schnickschnack wie etwa einen Aufzug sucht man bei Hardy’s vergeblich), die sämtliche Stockwerke inklusive des Untergeschosses miteinander verbindet. Der Laden ist ganz klassisch aufgeteilt. Na ja, gelinde gesagt. Derzeit wirkt es wie ein verstaubtes altes Kaufhaus, wie man es abseits gelegen in einem verschnarchten Provinzkaff erwarten würde. Die ursprünglich wunderschöne Einrichtung – beeindruckende Art-déco-Lüster und alte Mahagonitresen – wurde während Sebastian Hardys Amtszeit erbarmungslos herausgerissen und durch Neonröhren und plastikverkleidete weiße Module und Regalauslagen ersetzt. Und nun steckt das ganze Warenhaus in einer Achtziger-Jahre-Zeitschleife fest, aus der es kein Entkommen gibt.
    Im Erdgeschoss finden sich die Kosmetik-, die Lederwaren- und die Schmuckabteilung. Im ersten Stock ist die Abteilung für Designerkleidung untergebracht (eine ziemlich irreführende Bezeichnung, da es dort nichts annähernd Modisches oder Begehrenswertes gibt), und daneben Unterwäsche und Schuhe. Im zweiten Stock folgen dann die Kinderabteilung sowie Kurzwaren und Hüte. Im dritten Stock gab es mal einen Friseur- und Kosmetiksalon (wo seinerzeit meine Mutter arbeitete), aber der wurde längst geschlossen, und so ist dort oben jetzt nur noch Rupert Hardys Büro untergebracht. Im Untergeschoss schließlich findet sich die Herrenabteilung, die auch Sportwaren einschließt und hauptsächlich aus todlangweiligem Jagd-, Angel-, Golf- und Schützenbedarf besteht – ach ja, und der
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