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Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman

Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman

Titel: Ein Weihnachtswunder zum Verlieben - Roman
Autoren: Ali Harris
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buhlen oder mich behaupten, um mir irgendwie Gehör zu verschaffen. Nein, hier wurde ich von den freundlichen Angestellten mit offenen Armen empfangen, hinter die Verkaufstresen geführt, bekam gezeigt, wie die Registrierkassen funktionierten, wurde mit viel zu großen Hüten und viel zu erwachsenem Make-up ausstaffiert und hatte das Gefühl, das außergewöhnlichste kleine Mädchen auf der ganzen weiten Welt zu sein. Der Laden wurde zu meiner ganz eigenen Verkleidungsschatzkiste. Eine Stunde später tauchte ich dann wieder bei meinen Eltern auf, von Kopf bis Fuß in Vintage-Garderobe gehüllt, mit hübschen Perlmuttbroschen am Mantel, auffällig gemusterte Tücher um die schmalen Schultern, mit einem Pelzmuff und dazu passender Mütze, das Gesicht mit verschiedenen schillernden Lippenstift- und Rougetönen verziert. So stolzierte ich dann ins Untergeschoss zu meinen Eltern, die Händchen haltend dasaßen und nichts um sich herum mitbekamen – nicht einmal Lily, dieglamouröse ältere Dame, die den Teesalon führte. Die allerdings entdeckte mich immer, wenn ich unschlüssig in der Tür stand, und winkte mich zu sich herüber, band mir eine rüschenbesetzte kleine Servierschütze um und schickte mich mit einem Tablett voller Törtchen, die eigens mit ihren wunderbar verschlungenen verschnörkelten Initialen dekoriert worden waren, an den Tisch meiner Eltern.
    Mum stiegen dann immer die Tränen in die Augen, und Dad erzählte mir auf ein Neues die Geschichte, wie sie sich bei Hardy’s kennengelernt hatten, wie er um ihre Hand angehalten und gleich, als er meine Mutter, die als Friseurin und Kosmetikerin im obersten Stock arbeitete, das erste Mal gesehen hatte, wusste, dass sie die Richtige für ihn war. Und dann erinnerte Mum sich verträumt daran, wie es ihr die Sprache verschlagen hatte, als mein Dad in den Frisiersalon gekommen war, mit seinem dichten, leicht gewellten Haar und der ausgeprägten römischen Nase. Eine halbe Ewigkeit hatten sie sich tief in die Augen geschaut, während die Kunden und die anderen Angestellten um sie herumgestanden und atemlos zugeschaut hatten. Und dann war mein Vater langsam auf meine Mutter zugegangen, hatte sie wie beim Tanzen in seinen Armen nach hinten fallen lassen und sie auf den Mund geküsst, und die Menschenmenge hatte sie umringt und begeistert applaudiert. Walter Hardy junior, der damalige Chef des Hauses, war sogar in den Salon gekommen, um der Ursache des ganzen Tohuwabohu auf den Grund zu gehen, und da ging mein Dad einfach zu ihm, den Arm noch immer fest um meine etwas verstörte, aber vollkommen bezauberte Mutter gelegt, und teilte Walter mit, meine Mum brauche ihre Stelle nicht mehr, sie werde nämlich seine Frau. Woraufhin Walter nur lachend den Kopf geschüttelt hatte – zum Glück kannten die beiden sich, da Dad seit der Schulzeit eng mit Walters Sohn Sebastian befreundet gewesen war –, und Dad hatte Mum hinaus in seinen wartenden Wagenund dann zum Claridge’s entführt, wo sie zusammen gegessen und getanzt hatten. Drei Monate später heirateten sie im Standesamt von Chelsea, und neun Monate darauf kam Delilah auf die Welt.
    Das war vor fünfunddreißig Jahren. Solche alles überdauernden Liebesgeschichten werden heute gar nicht mehr geschrieben. Ich selbst kann ein Lied davon singen: Schließlich suche ich schon, solange ich zurückdenken kann, erfolglos nach der großen Liebe.
    Diese herzerwärmende Liebe-auf-den-ersten-Blick-Geschichte ist bei uns zuhause so was wie ein wahr gewordenes Märchen – vom Kaufhaus ganz zu schweigen. Selbst heute reden die älteren Angestellten noch von der bildschönen blonden Friseurin, die in diesen heiligen Hallen ihren Märchenprinzen gefunden hat. Oft genug habe ich meinen Vater gelöchert, weil ich wissen wollte, warum er sich an diesem Tag so ganz anders benommen hat als sonst. Als erfolgreicher Finanzier ist er von Haus aus immer sehr bedacht und hat keinen Funken Spontaneität im Leib. Worauf er jedes Mal antwortet: »Wenn man etwas will, dann muss man es sich nehmen, Evie, sonst bringt man es im Leben nicht weit.« Manchmal wünschte ich, seine Zielstrebigkeit hätte ein bisschen auf mich abgefärbt.
    Man könnte also sagen, aus der Liebesgeschichte meiner Eltern ist meine ganz eigene Liebesgeschichte mit Hardy’s entstanden, weshalb ich nun auch schon seit einiger Zeit hier arbeite. Wobei ich mich manchmal einfach fragen muss, ob das womöglich schon alles war. Ich liebe diesen Laden, und in keinem anderen
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