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Ein verhängnisvolles Versprechen

Ein verhängnisvolles Versprechen

Titel: Ein verhängnisvolles Versprechen
Autoren: H Coben
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vorzustellen – es gelang ihm nicht.
    Er drehte sich zu Ali um. Ihre Miene veränderte sich kurz.
    Myron sog die Luft durch die Nase ein und schnupperte. »Was gibt’s zu essen?«
    »Hähnchen Kiew.«
    »Duftet klasse.«
    »Können wir erst ein bisschen reden?«
    »Klar.«
    Sie gingen ins Wohnzimmer. Myron versuchte, sich zu konzentrieren. Er hielt nach weiteren Bildern Ausschau und entdeckte ein gerahmtes Hochzeitsfoto. Alis Haare waren zu stark hochfrisiert, aber vielleicht war das damals Mode gewesen. Er fand sie jetzt hübscher. Manche Frauen gewannen einfach mit den Jahren. Daneben stand ein Foto mit fünf Männern in schwarzen Smokings mit Fliegen. Die Trauzeugen, dachte Myron. Ali folgte seinem Blick. Sie ging zum Regal und nahm das Gruppenfoto heraus.
    »Das ist Kevins Bruder«, sagte sie und deutete auf den zweiten Mann von rechts.

    Myron nickte.
    »Die anderen Männer waren Kollegen von Kevin bei Carson Wilkie. Sie waren seine besten Freunde.«
    Myron fragte: »Sind sie alle …«
    »Alle tot«, sagte Ali. »Sie waren alle verheiratet und hatten Kinder.«
    Plötzlich erfüllte das Thema, das sie bisher gemieden hatten, den ganzen Raum.
    »Das musst du nicht tun«, sagte Myron.
    »Doch, Myron, das muss ich.«
    Sie setzten sich.
    »Als Claire unser erstes Date arrangiert hat«, begann sie, »hab ich ihr gesagt, dass du den 11. September zur Sprache bringen musst. Hat sie das an dich weitergegeben?«
    »Ja.«
    »Aber du hast es nicht getan.«
    Er öffnete den Mund, schloss ihn wieder, und setzte dann noch einmal an. »Wie hätte ich das machen sollen? Hi, wie geht’s Ihnen? Ich hab gehört, dass Sie eine 9/11-Witwe sind. Würden Sie lieber italienisch oder chinesisch essen gehen?«
    Ali nickte. »Da ist was dran.«
    Die große, prunkvolle Standuhr in der Ecke schlug. Myron dachte darüber nach, woher Ali sie wohl hatte, woher die ganze Einrichtung hier im Haus stammte, wie viel von Kevins alten Sachen hier wohl noch im Haus standen und sie beobachteten – in seinem Haus?
    »Kevin und ich sind in unserem vorletzten High-School-Jahr zum ersten Mal miteinander ausgegangen. Auf der Universität haben wir beschlossen, eine Pause einzulegen. Ich war auf der New York University, er in Philadelphia auf der Wharton. Das war eine vernünftige Entscheidung. Aber als wir im Herbst über Thanksgiving zu Hause waren und uns getroffen haben …« Sie zuckte die Achseln. »Ich bin nie mit einem anderen Mann zusammen gewesen. Nicht ein einziges Mal.«

    Sie schwieg einen Moment. Dann fuhr sie fort: »Siehst du, jetzt ist es raus. Ich weiß also nicht, ob wir das richtig gemacht haben. Das ist schon komisch. Irgendwie haben wir es wohl zusammen gelernt.«
    Myron saß einfach nur da. Sie war höchstens dreißig Zentimeter von ihm entfernt. Er wusste nicht, was er jetzt tun sollte – das war typisch. Er schob seine Hand an ihre heran. Sie ergriff sie und hielt sie fest.
    »Ich weiß nicht, wann mir klar geworden ist, dass ich so weit bin, mich mit einem Mann zu verabreden. Bei mir hat das länger gedauert als bei den meisten anderen 9/11-Witwen. Wir haben uns natürlich darüber unterhalten – die Witwen, meine ich. Zu einigen habe ich einen ganz guten Draht. Aber irgendwann hab ich mir einfach gesagt, okay, vielleicht sollte ich’s jetzt einfach mal probieren. Als ich Claire das dann erzählt habe, hat sie dich vorgeschlagen. Und weißt du, was ich da gedacht hab?«
    Myron schüttelte den Kopf.
    »Der ist ein paar Nummern zu groß für mich, aber es könnte Spaß machen. Ich hab gedacht – ich weiß, dass das albern klingt, und du darfst auch nicht vergessen, dass ich dich ja gar nicht kannte –, dass du eine gute Übergangslösung bist.«
    »Übergangslösung?«
    »Du weißt genau, was ich meine. Du warst früher Profisportler und wahrscheinlich mit jeder Menge Frauen im Bett. Ich hab gedacht, das wird ein nettes Abenteuer. Eine rein körperliche Sache. Und vielleicht lern ich dann hinterher irgendwann einen netten Typen kennen. Hast du’s jetzt verstanden?«
    »Ich denke schon«, sagte Myron. »Du hattest es nur auf meinen Körper abgesehen.«
    »So ziemlich, ja.«
    »Ich komme mir so ausgenutzt vor«, sagte er. »Oder elektrisiert? Einigen wir uns auf elektrisiert.«
    Sie lächelte. »Nimm mir das bitte nicht übel.«
    »Kein Problem.« Dann: »Flittchen.«

    Sie lachte. Ein melodisches Lachen.
    »Und was ist aus deinem Plan geworden?«, fragte er.
    »Du warst nicht so, wie ich erwartet hatte.«
    »Ist das
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