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Ein verführerischer Akt

Ein verführerischer Akt

Titel: Ein verführerischer Akt
Autoren: Gayle Callen
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erwiderte Leo und deutete mit dem Kinn auf Julian.
    »Nein, auch nicht beim Sohn eines Earls oder dem Bruder des künftigen Titelträgers«, gab Julian, der schon ein bisschen viel getrunken hatte, zurück. Er hob mit gerunzelter Stirn eine Hand und sagte etwas leiser: »Ich höre nichts mehr – da versucht jemand besonders leise zu sein.« Er richtete den zur Seite geneigten Kopf zur Tür und wartete.
    Dann ertönte wieder ein Knacken von der Treppe, begleitet von einem leisen Zischen, als würde jemand ermahnt werden, nicht so laut zu sein. Die Freunde schauten sich fragend an, und das Lächeln verschwand von ihren Gesichtern.
    Julian streckte die Hand nach der Lampe aus und drehte den Docht herunter, bis sie kaum noch etwas sehen konnten. »Damit man uns nicht bemerkt, wenn wir die Tür öffnen«, flüsterte er und erhob sich.
    Unsicher aufgrund ihres Alkoholpegels tasteten sie sich in Richtung Halle, und Julian musste die Freunde mehr als einmal zur Vorsicht mahnen. Ganz langsam öffnete er die Tür, deren Angeln zum Glück gut geölt waren, konnte jedoch zunächst nur wenig erkennen. Erst als sich seine Augen an die nur vom flackernden Schein einer einzelnen Kerze erhellte Dunkelheit gewöhnt hatten, vermochte er unten in der riesigen Halle die Umrisse dreier Gestalten ausmachen, die sich offenbar gerade anschickten, die breite Treppe emporzusteigen. Sie waren mit dunklen Hosen, Jacken und Mützen bekleidet, jedoch so zierlich, dass Julian den anderen über die Schulter zuflüsterte: »Es sind Jungs.«
    Neugierig schoben sich nun auch Leo und Peter nach vorne, um die Eindringlinge zu beobachten, die inzwischen ungehindert mit ihrer Kerze auf den Salon im ersten Stock zusteuerten und schließlich darin verschwanden.
    Julian bedeutete den anderen, ihm zu folgen, und trat auf die Galerie hinaus. Die riesigen Gemälde mit Jagdszenen, die die Wände der zwei Stockwerke hohen Halle bedeckten, waren in der Dunkelheit nicht zu erkennen. Vorher hatte die flackernde Kerze wenigstens gelegentlich einen der vergoldeten Rahmen erhellt und tanzende Lichtreflexe daraufgeworfen.
    Lautlos näherten sich die Freunde der Tür zum Salon, öffneten sie vorsichtig und spähten neugierig hinein. Die drei knabenhaften Gestalten standen mit dem Rücken zur Tür, während ihre Blicke auf den Frauenakt gerichtet waren. Die Kerze hatten sie auf einem Tisch abgestellt.
    »Typisch Jungs«, raunte Leo.
    Julian bedachte ihn mit einem finsteren Blick, und Leo verdrehte die Augen.
    Die Eindringlinge tuschelten miteinander, stellten sich dann zu beiden Seiten des Gemäldes auf, griffen nach dem Rahmen und versuchten das Bild hochzuheben.
    Zum Erstaunen der Beobachter waren es jedoch keine kräftigen und rauen Hände, wie heranwachsende Jungen sie gewöhnlich haben, sondern schmale und zartgliedrig geformte Finger. So viel war selbst in dem diffusen Dämmerlicht zu erkennen.
    Julian trat vor. »Auf frischer Tat ertappt«, rief er, und seine tiefe Stimme dröhnte durch die Stille.
    Was folgte, war ein kollektives erschrecktes Keuchen, und gleichzeitig fiel der Rahmen mit einem lauten Knall zurück gegen die Wand, während die drei Gestalten in einer reglosen Pose verharrten.
    »Ihr könnt nicht weglaufen«, fuhr Julian fort. »Wir versperren euch den Fluchtweg. Warum dreht ihr euch also nicht einfach um, damit wir die Spitzbuben sehen können, die sich erdreisten, ein Gemälde aus diesem Club zu stehlen?«
    Die drei schauten sich wortlos, aber einvernehmlich an und nickten. Dann drehten sie sich mit gesenkten Köpfen und hängenden Schultern um, die Gesichter im Schatten der Mützenschirme verborgen, während sie nervös mit ihren Stiefelspitzen über den Boden scharrten.
    »Wir wollten nur schauen«, sagte einer mit leiser, heiserer Stimme.
    »Indem ihr das Bild von der Wand heben wolltet?«, fragte Leo amüsiert. Als er mit der Kerze eine Lampe entzündete, um besser sehen zu können, wichen alle drei vor ihm zurück und stießen mit dem Rücken an das Gemälde. »Ich wusste ja gar nicht, dass ich so Furcht einflößend bin«, fuhr er trocken fort.
    »Sie tun gut daran, Angst zu haben«, meinte Julian. »Wir sind Zeuge ihres Vergehens. »Wirklich schade, dass sie uns nicht dazu bringen können, den Vorfall zu vergessen.«
    Er legte eine bedeutungsvolle Pause ein.
    Peter stieß einen lauten Seufzer aus. »Soll ich den Geschäftsführer wecken?«
    »Warten Sie!«, rief einer der Diebe mit verzweifelter Stimme, deren Tonlage plötzlich eine Oktave
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