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Ein Vampir für jede Jahreszeit

Ein Vampir für jede Jahreszeit

Titel: Ein Vampir für jede Jahreszeit
Autoren: Lynsay Sands
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ganze Zeit schon hatte sie sich darüber gewundert, wie Lady Fairley sie behandelte. Immer, wenn ihr Sohn nicht in der Nähe war, verhielt sie sich zuvorkommend, in seiner Gegenwart dagegen kühl und ablehnend. Jetzt begriff sie. Lady Fairley verabscheute sie. Der Tonfall, in dem die Frau zu ihrem Sohn gesprochen hatte, bestätigte diesen Hass. Am Grund für ihre Abneigung hatten ihre Worte keinen Zweifel gelassen.
    Alice wandte sich ab. In ihren Augen brannten Tränen. Eilig hastete sie ihrer Mutter nach. Das wundervolle Erlebnis, das sie mit Jonathan geteilt hatte, wurde plötzlich zu einer schmutzigen, schändlichen Sache und die zarten Hoffnungen auf die Zukunft, die es in ihr zum Keimen gebracht hatten, starben abrupt.
    »Sag kein einziges Wort mehr, Mutter, oder ich schwöre dir, ich …« Jonathan verstummte, schluckte die Galle, die ihm in den Hals gestiegen war, herunter und versuchte gleichzeitig, auch seinen Zorn zurückzudrängen. Noch nie zuvor hatte er so große Wut verspürt, wie in dem Augenblick, als seine Mutter Alice beleidigt hatte. Er hatte sogar die Hand erhoben, um sie für ihre Worte zu ohrfeigen, sich dann aber beherrscht und die Hand fest in die Seite gedrückt. Alice war gegangen, beruhigte er sich. Solange sie die Worte nicht gehört hatte, konnten sie sie auch nicht verletzen – und sie würde sie niemals zu hören bekommen. Niemals. Er holte tief Luft und erklärte seiner Mutter eisig: »Mir ist bekannt, wie du für Alice empfindest. Du hast deinen Gefühlen mehrfach Ausdruck verliehen. Allerdings würde ich dir empfehlen, deine Abneigung gegen sie zu überwinden, denn ich beabsichtige, sie gleich morgen früh zu bitten, mich zu heiraten.«
    Damit wandte er sich ab und schritt forsch davon.

5
    »Alice!«
    »Ach, verflucht«, flüsterte Alice leise, als sie die Stimme erkannte. Sie hörte den donnernden Hufschlag und wusste auch ohne sich umzudrehen, dass Lord Jonathan von hinten angeritten kam. Sie hatte sich am Morgen aus dem Palast gestohlen, um ihm aus dem Weg zu gehen. Einen Tag, das war alles, was sie sich erhofft hatte. Einen Tag, um sich zu sammeln und sich darauf vorzubereiten, ihm nach dem beschämenden Ende der letzten Nacht wieder unter die Augen zu treten.
    Offenbar war das zu viel verlangt gewesen.
    Er schloss zu ihr auf und griff nach den Zügeln ihres Reittieres. »Ich suche dich schon den ganzen Morgen«, sagte er vorwurfsvoll und brachte ihr Pferd und sein eigenes zum Stehen. »Alle suchen nach dir. Nicht einmal deine Mutter wusste, wo du bist.«
    »Mir war nach einem kleinen Ausritt. Ich …« Sie kam nicht weiter, denn er beugte sich zu ihr und drückte seine Lippen auf ihren Mund. Einen Augenblick erstarrte sie, doch dann entspannte sie sich und erwiderte den Kuss.
    »Guten Morgen, Mylady«, raunte er.
    Alice öffnete die Augen. »Guten Morgen«, antwortete sie feierlich.
    »Ich möchte dir danken.«
    Sie begriff nicht, was er meinte. »Wofür, Mylord?«
    »Für letzte Nacht.«
    Augenblicklich errötete sie vor Verlegenheit und Scham. Er trieb sein Pferd näher an ihres und versuchte, sie gleichzeitig zu umarmen und sie von ihrem Reittier auf seines zu ziehen, doch sie entzog sich ihm, indem sie ihr eigenes Pferd seitlich ausweichen ließ. »Bitte, Mylord. Ich …«
    »Nenn mich Jonathan«, rügte er sie und ließ sie für den Augenblick davonkommen.
    »Das halte ich für keine gute Idee.«
    »Wie du wünschst«, sagte er nachsichtig. »Wenn die Hochzeitsfeierlichkeiten allerdings erst einmal vorüber sind, werde ich darauf bestehen müssen, dass du mich Jonathan nennst – zumindest, wenn wir unter uns sind.«
    Alice hielt an und suchte seinen Blick. »Das Hochzeitsfest? Ihr habt eine Braut erwählt?«
    »Ich habe dich erwählt. Wenn du mich möchtest.«
    Für einen kurzen Augenblick schien es Alice, als würde ihr das Herz vor Freude aus der Brust springen. Doch dann kamen die Erinnerungen an Lady Fairley wieder, und es landete mit schmerzhafter Wucht an seinem alten Platz.
    »Alice?«, fragte Jonathan besorgt, als sie nichts erwiderte. »Du wirst mich doch heiraten, oder?«
    »Nein.«
    »Nein?« Er starrte sie fassungslos an. »Aber … Mir ist klar, dass wir uns noch nicht sehr lange kennen, doch ich dachte, wir verstehen uns gut und …«
    »Es liegt nicht an dir, Jonathan«, versicherte sie ihm. »Ich würde dich sofort heiraten, wäre da nicht …«
    »Was?«, fragte er und packte sie an den Armen, als fürchtete er, sie könne entfliehen.
    »Deine Mutter«,
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