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Ein unerhörtes Angebot

Ein unerhörtes Angebot

Titel: Ein unerhörtes Angebot
Autoren: MARY BRENDAN
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miteinander verbrachten.
    Sie betrachtete das Profil ihres Bruders. Er war ein attraktiver Mann, sein Haar hatte den gleichen rotbraunen Ton wie Charlottes. Obwohl er Mitte dreißig war, wies sein Gesicht keine Falten auf, aber sein jugendliches Aussehen wurde von einem bitteren Zug um seinen Mund verdorben.
    Wen konnte es auch wundern, dass er unglücklich war? Er hatte eine Frau geheiratet, der es offenbar Freude bereitete, ihn lächerlich zu machen. Trotzdem empfand Helen eher Groll als Mitgefühl für ihn. George schien seiner Frau auf irgendeine Weise hörig zu sein, denn das schamlose Geschöpf hatte keine Mühe, ihn um den kleinen Finger zu wickeln.
    Andererseits musste sie ihrem Bruder in einem Punkt recht geben. Harry war zwar freundlich und liebenswert gewesen, aber als er starb, hatte er seiner Witwe wenig mehr als ihren Ehering und den ausstehenden Armeesold hinterlassen.
    „Marlowe ist seit sieben Jahren tot.“ Georges harter Tonfall riss Helen aus ihren Gedanken. „Du hattest genug Zeit zum Trauern. Jetzt musst du anfangen, vernünftig zu sein.“ Der Zahnstocher steckte wieder zwischen seinen Zähnen, doch plötzlich wies er damit auf Helen. „Iris hat recht, du siehst passabel aus. Vergangene Saison waren Brünette der letzte Schrei. Als du mit achtzehn in die Gesellschaft eingeführt wurdest, haben etliche Gentlemen um deine Hand angehalten.“
    „Was für ein großartiges Gedächtnis du doch besitzt, George“, erwiderte Helen trocken. „Das ist acht Jahre her, und die meisten meiner Verehrer sind inzwischen verheiratet. Und wenn du Papas Wünsche ehrst und das Vertrauen, das er in dich setzte, muss ich mich erst gar nicht auf die Jagd nach einem Gatten machen. Ich werde dich nicht von deinen Pflichten uns gegenüber entbinden. Gib uns unser Geld, dann brauchst du mein Gezänk nicht länger zu ertragen.“
    George errötete und warf den silbernen Zahnstocher auf den Tisch. „Ich habe zurzeit einige unvorhergesehene Ausgaben, und darüber hinaus bin ich dem Gesetz nach nicht …“
    „Oh nein, das haben wir schon erwähnt, George.“ Helen seufzte und fuhr dann fort, so ruhig sie konnte: „Ich würde es ja verstehen, wenn ich glaubte, dass du wirklich in Schwierigkeiten bist. Aber ich weiß, dass deine Frau das Geld, das Charlotte und ich für das Notwendige brauchen, für die neueste Pariser Mode verschwendet.“ Ihr Blick ging vielsagend zu dem vergessenen Hut.
    George sprang auf. „Genug!“, brüllte er und begann erregt auf und ab zu laufen. „Du weißt nichts über mein Leben oder meine Finanzen, und ich verbiete dir, so über Iris zu reden!“
    „Was möchtest du stattdessen von mir hören, George?“, fragte Helen leise. „Dass es nicht ihre aufwändigen Roben sind, die du dir nicht leisten kannst, sondern ihre Vorliebe für das Kartenspiel? Oder war es vielleicht ihr neuer Landauer, der Charlottes Mitgift geschluckt hat?“
    George wirbelte zu seiner Schwester herum und sah sie grimmig an. „Ich denke, du solltest gehen, bevor ich etwas sage oder tue, das ich anschließend bedauern müsste.“
    Helen erkannte die innere Zerrissenheit ihres Bruders und sah ein, dass es keinen Zweck hatte, ihn weiter zu reizen. Erhobenen Hauptes schritt sie zur Tür. „Du kannst mich jetzt ruhig fortschicken, wenn du willst. Aber wenn du uns nicht in den nächsten Tagen Geld zukommen lässt, bin ich wieder da. Wir haben keinen Kredit mehr bei den Händlern und kaum noch Lebensmittel und Heizmaterial übrig. Der Frühling lässt auf sich warten, und es herrscht eine empfindliche Kälte.“
    „Wenn ihr beide entschlossen seid, euch wie Blutegel an mir festzusaugen, dann nehmt gefälligst ein paar Einsparungen vor!“
    Helen unterdrückte eine scharfe Antwort. „Charlotte und ich haben schon seit Langem kein Marzipan mehr auf unserem Speiseplan.“ Sie sah George wütend die Lippen zusammenpressen, weil sie auf die Vorliebe seiner Frau für Konfekt anspielte. „Und Hammelfleisch ist ein Luxus, den wir uns nur einmal in der Woche erlauben“, fuhr sie fort. „Was für Einsparungen verlangst du von uns, George? Bereits jetzt schränken wir uns ein, wo wir nur können. Sollen wir uns nur noch von Kartoffelsuppe ernähren und im Dunkeln und ohne Kaminfeuer leben?“
    „Ein kleineres Haus würde weniger kosten, was Wärme und Licht angeht. Wenn ihr euren Speiseplan verbessern wollt, müsst ihr woandershin ziehen.“ George machte eine ungeduldige Handbewegung. „Es scheint euch wichtiger zu sein,
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