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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
Autoren: Charles Chadwick
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erzählte. Simbabwe und der Südpol. Was für ein weitgefächertes Geistesleben ich doch führte. Ich glaube nicht, daß ich ein guter Romanschreiber wäre, aber wenn ich Mr. Fogarty das nächste Mal treffe, brauche ich ein paar neue Geschichten, die ich ihm erzählen kann. Inzwischen dürften wir uns das einander schuldig sein, daß wir den anderen mit unseren Erfindungen in dieser unserer langweiligen Welt unterhalten. Die ungeschminkte Wahrheit bringt uns nicht sehr weit.
     
    Bevor ich einschlief oder mich selber zum Schlafen brachte, dachte ich noch einmal an das Barmädchen aus Simbabwe, nicht nur an ihren Busen und Hintern usw. Ihre Schuld, wenn sie ein Wort in unterschiedlichen Bedeutungen verwendete. Meine Schuld, daß ich versuchte, nett zu sein. Daß ich sie falsch verstand. Mich hat sie offensichtlich viel weniger falsch verstanden. Eigentlich überhaupt nicht: ein alter Mann, der versucht, nett zu sein. Normalerweise kriegt man jedoch selten das, was man sieht. Es steckt immer sehr viel mehr dahinter. Inwieweit traf das auf die Menschen zu, die ich kannte? Auf Mädchen trifft das natürlich auf jeden Fall zu. Immer stärker. Was man sieht, kriegt man auf keinen Fall. Und wenn man das nicht sieht, kriegt man das Ganze nicht mehr auf die Reihe. Und so weiter. Ab ins Bett ...

KAPITEL VIERZEHN
    B ei den Browns traf ich pünktlich mit dem Taxi ein. Brown begrüßte mich mit einem Lächeln und einem Hackenzusammenschlagen, einer Verbeugung und einer einladenden Armbewegung. Er trug denselben eleganten Aufzug wie bei unserer letzten Begegnung – Blazer, Clubkrawatte usw., und seine Haare waren frisch geschnitten. Er hatte mit dem Haaröl nicht gespart, was das Rötliche noch betonte. Auch sein Gesicht glänzte. Er hatte sich seinen Schnurrbart abrasiert.
    »Tom. Großartig, alter Knabe. Treten Sie doch ein und begrüßen Sie die Familie.«
    Er führte mich ins Wohnzimmer und trat dann, mit einer Hand auf dem Rücken, ein Stückchen zur Seite. In den ersten Sekunden dachte ich, ich würde eine Freundin der Familie oder eine Verwandte, eine Schwester vielleicht, vor mir sehen, zusammen mit einem jungen Mann, der in einer offiziellen Angelegenheit hier war — ein Immobilienmakler oder Versicherungsverkäufer oder etwas Ähnliches. Er hatte ein dralles Gesicht und hielt sich, den Kopf leicht nach hinten geneigt, sehr aufrecht, als wollte er damit seine generelle Korpulenz und seine Wampe kaschieren. Außerdem sah es so aus, als wollte er die untere Hälfte seines Gegenübers unter seiner goldgerahmten Brille hindurch betrachten. Er trug einen dunkelgrauen Anzug mit Paisleykrawatte und eins der weißesten Hemden, die ich je gesehen habe. In einer Hand hielt er ein Glas Bier. Die andere hielt sich am Revers fest. An seinem kleinen Finger prangte ein großer, goldener Siegelring.
    »Darf ich Ihnen unseren Sohn und Alleinerben vorstellen«, sagte Brown, der nun nicht mehr grinste. »Ist aus dem kalten
Norden hierhergekommen, um seine alten Eltern zu besuchen. Simon, Tom Ripple.«
    Ich streckte meine Hand aus, die er kräftig drückte und tatsächlich schüttelte. Kaum schaute er mir in die Augen, schloß er die seinen. Seine Hand wanderte zum Revers zurück, das er noch fester umklammerte.
    »Freut mich sehr. Ist mir ein Vergnügen«, sagte er. Der Akzent war nördlich hart, doch mit leichtem südlichem Schwung darin, vielleicht aus Höflichkeit seinem Vater gegenüber.
    Während dies passierte, mußte ich erst mal verkraften, wie sehr Mrs. Brown sich verändert hatte. Sie stand ein paar Schritte weiter hinten am Kamin mit einem Glas Orangensaft in der Hand, leicht von sich weggestreckt, als könnte sie sich nicht mehr so recht erinnern, ob es wirklich das war, worum sie gebeten hatte. Sie lächelte mich an und sagte sehr leise: »Hallo, Tom, schön, Sie zu sehen. Freut mich sehr, daß Sie kommen konnten.«
    Was mich aus der Fassung gebracht hatte, war, um wieviel älter sie aussah. Ihre etwa zu gleichen Teilen braunen und weißen Haare hingen ihr kerzengerade bis zum Kinn, und sie trug kaum Make-up: nicht mehr die langen blonden, an den Wurzeln braunen Haare, die unregelmäßig gepuderten, künstlich gebräunten Wangen, die verklebten Wimpern, die grellen Lippen. Auch war das Quengeln aus ihrer Stimme fast verschwunden. Ich lächelte zurück, und wir nickten beide leicht. Es war ein netter Augenblick des Wiedererkennens. Wirklich sehr nett. Nein, es lag nicht daran, daß sie älter aussah. Es lag daran, daß sie
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