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Ein Toter zu wenig

Ein Toter zu wenig

Titel: Ein Toter zu wenig
Autoren: Dorothy Leigh Sayers
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eine eigene Erklärung zurechtgelegt, und das ist gewiß am besten so.«
    Die alte Dame, die strickend beim Feuer saß, erwiderte den Blick ihres Sohnes mit einem kurzen, grimmigen Nicken. »Ich hab dir ja schon immer gesagt, du sollst dich mal wegen des Badezimmers beschweren, Alfred«, sagte sie plötzlich mit hoher, schriller Stimme, wie sie für Schwerhörige so charakteristisch ist, »und jetzt soll sich der Hauswirt mal endlich darum kümmern; ich finde zwar, es wäre auch ohne die Polizei gegangen, aber bitte sehr! Du hast ja schon immer wegen Kleinigkeiten ein großes Theater gemacht, das war schon bei den Windpocken so.«
    »Na bitte«, sagte Mr. Thipps entschuldigend, »da sehen Sie, wie es steht. Es ist natürlich gut, daß sie auf diese Erklärung verfallen ist, denn jetzt begreift sie wenigstens, daß wir das Bad zugesperrt haben, und versucht nicht mehr hineinzugehen. Aber für mich war es ein furchtbarer Schock, Sir - Mylord sollte ich wohl sagen, aber da sehen Sie, wie ich mit den Nerven am Ende bin. So was ist mir mein Leben - mein Lebtag noch nicht passiert. Ich war heute morgen völlig fertig - wußte gar nicht mehr, wo oben und unten war - wirklich nicht, und da mein Herz ja auch nicht das stärkste ist, weiß ich gar nicht mehr, wie ich aus diesem schrecklichen Bad herausgekommen bin und die Polizei angerufen habe. Es hat mich sehr mitgenommen, wirklich sehr mitgenommen, Sir - ich habe zum Frühstück keinen Bissen hinuntergebracht, zum Mittagessen auch nicht, und dann die ganze Telefoniererei, und ich mußte Kunden absagen und den ganzen Morgen mit Leuten reden - ich wußte kaum noch, wo mir der Kopf stand.«
    »Es muß wirklich sehr bedrückend für Sie gewesen sein«, sagte Lord Peter mitfühlend, »vor allem, wenn so etwas vor dem Frühstück passiert. Ich hasse Unannehmlichkeiten vor dem Frühstück. Da trifft es einen genau im falschen Augenblick, nicht?«
    »So ist es, so ist es ganz genau«, pflichtete Mr. Thipps ihm eifrig bei. »Als ich dieses abscheuliche Ding da in meiner Badewanne liegen sah, splitternackt dazu, bis auf den Kneifer auf der Nase - ich kann Ihnen versichern, Mylord, da hat es mir regelrecht den Magen umgedreht, wenn Sie den Ausdruck entschuldigen wollen. Ich bin nicht sehr stark, Sir, und habe morgens manchmal so ein Schwächegefühl, und als nun das noch hinzukam, mußte ich doch tatsächlich das Mädchen nach einem kräftigen Schluck Kognak schicken, Sir - Mylord, sonst wüßte ich nicht, wie es mir ergangen wäre. Mir war so komisch, und dabei halte ich normalerweise ja nichts von Alkohol. Aber ich habe es mir zur Regel gemacht, nie ohne Kognak im Haus zu sein, falls mal etwas passiert, Sie verstehen?«
    »Sehr weise«, sagte Lord Peter gutgelaunt, »Sie sind ein weitblickender Mann, Mr. Thipps. Ein Schlückchen wirkt im Notfall Wunder, und je weniger man daran gewöhnt ist, desto besser tut es einem. Ihr Mädchen ist hoffentlich eine vernünftige Person, ja? Es ist so ärgerlich, wenn einem Frauen dauernd in Ohnmacht fallen und immerzu herumkreischen.«
    »Oh, Gladys ist ein gutes Mädchen«, sagte Mr. Thipps, »und wirklich sehr vernünftig. Sie war natürlich schockiert, das ist nur zu verständlich. Ich war ja selbst schockiert, und es wäre geradezu ungehörig für ein junges Mädchen, unter solchen Umständen nicht schockiert zu sein, aber wenn Not am Mann ist, kann sie sehr stark sein und ist mir eine große Hilfe, wenn Sie verstehen. Ich schätze mich glücklich, heutzutage so ein braves, anständiges Mädchen für meine Mutter und mich zu haben, obwohl sie in Kleinigkeiten manchmal etwas nachlässig und vergeßlich ist, aber das ist nur natürlich. Es hat ihr sehr leid getan, daß sie das Badezimmerfenster offen gelassen hatte, wirklich, und wenn ich zuerst auch böse deswegen war, nachdem ich sah, was dabei herausgekommen war, hätte man doch normalerweise kein Wort darüber zu verlieren brauchen, meine ich. Junge Mädchen vergessen eben manchmal etwas, Mylord, und sie war dann derart außer sich, daß ich ihr keine großen Vorhaltungen mehr machen wollte. Ich habe nur gesagt: >Es hätten auch Einbrecher sein können, denken Sie daran, wenn Sie das nächstemal ein Fenster die ganze Nacht offenstehen lassen<, habe ich gesagt. >Diesmal war es ein Toter, und das ist schon unangenehm genug, aber das nächstemal könnten es Einbrecher sein<, habe ich gesagt, >und dann liegen wir womöglich alle ermordet in unsern Betten.< Aber der Polizeiinspektor - Inspektor
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