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Ein Toter zu wenig

Ein Toter zu wenig

Titel: Ein Toter zu wenig
Autoren: Dorothy Leigh Sayers
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Caxton-Folio von den  Four Sons of Aymon -  das ist der Folioband von 1489, der existiert nur einmal. Sehen Sie! Ich habe alles angestrichen, was ich haben will, und gehen Sie jedesmal bis zu meinem Höchstgebot. Tun sie, was Sie können. Ich bin zum Abendessen wieder da.«
    »Sehr wohl, Mylord.«
    »Nehmen Sie mein Taxi und sagen Sie dem Mann, er soll sich beeilen. Für Sie tut er's vielleicht, mich kann er nicht besonders leiden. Ob ich«, dachte Lord Peter bei sich, indem er sich in dem Spiegel aus dem 18. Jahrhundert, der über dem Kamin hing, betrachtete, »ob ich wohl so herzlos sein und den verdatterten Thipps noch mehr in Verlegenheit bringen kann - das ist in der Eile sehr schwer zu sagen -, indem ich in Frack und Zylinder erscheine? Ich glaube nicht. Möchte zehn gegen eins wetten, daß er meine Hose übersieht und mich für den Bestattungsunternehmer hält. Ein ordentlicher und unauffälliger grauer Anzug mit passendem Hut ist meinem anderen Ich wahrscheinlich besser angemessen. Büchernarr geht ab; neues Grundmotiv, eingeführt von Fagottsolo; Auftritt Sherlock Holmes, als Spaziergänger verkleidet. Da geht Bunter. Unbezahlbar, der Mann - beruft sich nie auf seine Arbeit, wenn man ihm etwas anderes zu tun gibt. Hoffentlich läßt er sich die  Four Sons of Aymon  nicht entgehen. Und es gibt  doch  noch eine andere Ausgabe davon - im Vatikan. (Hier sind Lord Peters Gedanken nicht ganz bei der Sache. Das Buch ist in Earl Spencers Besitz. Die Brockleberry-Ausgabe ist unvollständig, insgesamt fehlen die letzten fünf Signaturen, aber einzigartig ist sie durch den darin enthaltenen Kolophon.) Vielleicht ist sie eines Tages zu haben, wer weiß - wenn die römische Kirche bankrott geht oder die Schweiz nach Italien einmarschiert - dagegen findet man höchstens einmal im Leben in einem Londoner Vorort eine fremde Leiche im Badezimmer - glaube ich zumindest - aber daß sie auch noch einen  Kneifer  auf der Nase hat, die Male kann man bestimmt an den Fingern einer Hand abzählen. Meine Güte, ich glaube, es ist doch ein Fehler, zwei Steckenpferde auf einmal zu haben!«
    Er war über den Flur in sein Schlafzimmer gehuscht und zog sich mit einer Behendigkeit um, die man einem Mann von seinem gekünstelten Auftreten gar nicht zugetraut hätte. Er wählte eine dunkelgrüne Krawatte passend zu den Socken aus und knotete sie akkurat, ohne eine Sekunde zu zögern oder auch nur die Lippen zusammenzupressen; die schwarzen Schuhe tauschte er gegen ein Paar braune, dann steckte er sich ein Monokel in die Brusttasche und nahm seinen schönen Malakka mit schwerem Silberknauf zur Hand. »Das war's, glaube ich«, sagte er leise bei sich. »Halt - dich kann ich auch noch mitnehmen - vielleicht brauche ich dich - man kann nie wissen.« Er vervollständigte seine Ausstattung mit einem flachen silbernen Streichholzdöschen, und als er sah, daß es schon Viertel vor drei war, eilte er rasch nach unten, winkte ein Taxi herbei und ließ sich zum Battersea Park bringen.
    Mr. Alfred Thipps war ein kleiner, nervöser Mann, dessen flachsblondes Haar den ungleichen Kampf mit dem Lauf der Zeit aufzugeben begonnen hatte. Man könnte sagen, daß der einzige bemerkenswerte Zug an ihm eine dicke Beule über der linken Augenbraue war, die ihm ein etwas liederliches, zu seiner übrigen Erscheinung wenig passendes Aussehen gab. Fast in einem Atemzug mit der Begrüßung entschuldigte er sich verlegen dafür und murmelte etwas davon, daß er im Dunkeln gegen die Eßzimmertür gelaufen sei. Er war ob Lord Peters Aufmerksamkeit und der Herablassung, die er durch seinen Besuch bewies, fast zu Tränen gerührt. »Es ist ja so liebenswürdig von Eurer Lordschaft«, wiederholte er zum dutzendsten Male, wobei er nervös mit den unscheinbaren Lidern zwinkerte. »Ich weiß das wirklich sehr zu schätzen, wirklich sehr, und meine Mutter würde es ebenso zu würdigen wissen, aber sie ist so schwerhörig, daß ich Ihnen nicht zumuten möchte, sich ihr verständlich zu machen. Es war ein sehr schlimmer Tag«, fügte er hinzu, »mit der Polizei im Haus und all der Aufregung. So etwas sind meine Mutter und ich nicht gewöhnt, wo wir immer so zurückgezogen leben; es ist wirklich sehr bedrückend für einen Menschen, der ein geregeltes Leben führt, Mylord, und ich bin fast dankbar dafür, daß meine Mutter nichts hört, denn es würde sie bestimmt furchtbar aufregen, wenn sie etwas davon wüßte. Sie war zuerst sehr aufgebracht, aber inzwischen hat sie sich
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