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Ein Toter zu wenig

Ein Toter zu wenig

Titel: Ein Toter zu wenig
Autoren: Dorothy Leigh Sayers
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behandeln. Es war eine Roßkur für Peter, denn sie hatte nicht einmal den Mut gehabt, ihm vorher etwas mitzuteilen. Sie hatten in aller Eile geheiratet, als sie hörten, daß er nach Hause kommen sollte, und bei der Landung erwartete ihn nur ein Brief, der ihn vor die vollendete Tatsache stellte und darauf verwies, daß er sie ja selbst freigegeben habe.
    Ich will zu Peters Ehre sagen, daß er schnurstracks zu mir kam und zugab, ein Trottel gewesen zu sein. »Na schön«, sagte ich, »du hast deine Lektion bekommen, und nun geh nicht hin und mache dich auf anderen Gebieten zum Narren.«
    Er kehrte also zur Truppe zurück, und ich bin überzeugt, daß er fest entschlossen war, den Heldentod zu sterben. Statt dessen wurde er zum Major befördert und erhielt den Kriegsverdienstorden für irgendein waghalsiges Geheimdienstunternehmen hinter den deutschen Linien. 1918 wurde er bei Caudry in einem Bombentrichter verschüttet, was einen bösen Nervenzusammenbruch zur Folge hatte, der ihm zwei Jahre lang immer wieder zu schaffen machte. Danach nahm er sich eine Wohnung am Piccadilly und machte sich mit Hilfe seines Dieners Bunter, der als Sergeant unter ihm gedient hatte und ihm sehr zugetan ist, an seine allmähliche Wiederherstellung.
    Ich will gern zugeben, daß ich auf nahezu alles gefaßt war. Seine ganze schöne Offenheit war dahin, und er ließ niemanden in sein Vertrauen ein, nicht einmal seine Mutter und mich; er legte sich eine undurchdringliche Frivolität und eine dilettantische Pose zu und wurde zum vollendeten Clown. Da er reich war, konnte er tun und lassen, was er wollte, und es bereitete mir ein boshaftes Vergnügen, zu beobachten, welche Anstrengungen die Nachkriegs-Londoner Damenwelt unternahm, um ihn einzufangen. »Es kann doch«, sagte eine selbstlos besorgte Matrone einmal, »sicher nicht gut für den armen Peter sein, wenn er wie ein Eremit lebt.«
    »Madam«, antwortete ich, »wenn er das täte, wäre es wirklich nicht gut.« Nein, in dieser Hinsicht brauchte ich mich nicht um ihn zu sorgen. Aber ich mußte es wohl oder übel als gefährlich ansehen, daß ein Mann von seinen Gaben nichts zu tun hatte, was seinen Geist beschäftigte, und das habe ich ihm auch gesagt.
    Dann passierte 1921 die Geschichte mit den Attenbury-Smaragden. Über diesen Vorfall wurde nie geschrieben, aber er sorgte für beträchtlichen Lärm, selbst in dieser lärmendsten aller Zeiten. Der Prozeß gegen den Dieb war eine Kette heißester Sensationen, und die größte Sensation war Lord Peter Wimseys Auftritt vor Gericht als Hauptzeuge der Anklage. Das Aufsehen war ungeheuer. Im Grunde glaube ich, daß die Aufklärung des Falles für einen erfahrenen Geheimdienstoffizier nichts Besonderes war, aber ein adliger Detektiv war eben etwas Neues. Denver raste vor Wut; mir persönlich war es gleich, was Peter tat, Hauptsache er tat überhaupt etwas. Ich fand, daß diese Arbeit ihn glücklicher machte, und der Kriminalinspektor von Scotland Yard, den er dabei kennenlernte, gefiel mir. Charles Parker ist ein stiller, vernünftiger und gesitteter junger Mann und war Peter stets ein guter Freund und Schwager. Er hat die angenehme Eigenschaft, jemanden gern haben zu können, ohne ihn umkrempeln zu wollen.
    Das einzige, was an Peters neuem Steckenpferd störte, war, daß es mehr als ein Steckenpferd sein müßte, um als Steckenpferd für einen Gentleman zu genügen. Man kann Mörder nicht zu seinem Privatvergnügen an den Galgen bringen. Peters Intellekt zog ihn in die eine Richtung, seine Nerven in die andere, bis ich allmählich fürchtete, sie würden ihn noch in Stücke reißen. Nach Abschluß eines jeden Falles fingen die Alpträume und diese Schützengrabenneurose wieder von vorn an. Und dann mußte Denver - ausgerechnet Denver, dieser Obertölpel, der stets am lautesten gegen Peters entehrende Detektivspielerei gewettert hatte - sich eine Anklage wegen Mordes einhandeln und sich in einem Prozeß vor dem Oberhaus rechtfertigen, und gegen den öffentlichen Feuerzauber, den das gab, waren Peters sämtliche bisherigen Bemühungen in dieser Richtung nur nasse Knallfrösche.
    Peter paukte seinen Bruder aus dieser Bedrängnis heraus und war zu meiner großen Erleichterung menschlich genug, sich danach einen anzutrinken. Inzwischen räumt er ein, daß sein »Steckenpferd« ein legitimer Dienst an der Allgemeinheit ist, und er zeigt immerhin wieder soviel Interesse am öffentlichen Wohl, daß er dann und wann für das Außenministerium kleine
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