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Ein toedlicher Plan

Titel: Ein toedlicher Plan
Autoren: Jeffrey Deaver
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die Theorie von einem psychisch gestörten Mörder aus, dessen Vater Landstreicher gewesen sein musste und der Rache für seine erbärmliche Kindheit nehmen wollte. Der Polizist verbrachte bald seine ganze Zeit bei den Gleisen, um den Mörder zu stellen.«
    »Und was ist passiert?«
    »Er ist an einer unübersichtlichen Kurve von einem Zug erfasst worden, genau wie all die Landstreicher auch. Und die Moral von der Geschichte lautet: Grübeln Sie nicht über die unwahrscheinlichsten Möglichkeiten nach, wenn das Offensichtliche Sie auch weiterbringt. Natürlich können sich tausend und mehr Dinge ereignet haben, aber ehe wir uns den Kopf über weit hergeholte Theorien zerbrechen, wollen wir uns lieber an das halten, was sich aller Wahrscheinlichkeit nach hier abgespielt hat.« Er zückte seine Brieftasche und reichte Taylor zehn Hundert-Dollar-Noten.
    Sie sah ihn mit einem schiefen Lächeln an und war ebenso verlegen wie neugierig.
    »Für Spesen und Sonderausgaben.«
    »Was für Sonderausgaben?«
    »Bestechung. Um jemandem die Zunge zu lösen«, entgegnete er ungeduldig.
    Taylor nahm die Geldscheine, hielt sie unschlüssig einen Moment lang in der Hand und steckte sie dann in ihre Tasche. Als sie aufschaute, sah sie in Reeces düstere Miene. Er schob ihr einen Zettel zu. Sie warf einen kurzen Blick darauf – DIN-A4 und blassgrün, die Farbe, die die Wände in alten Krankenhäusern und Regierungsgebäuden hatten – und erkannte es als eine Terminübersicht, wie sie der Anwalt vom Dienst bei Hubbard, White & Willis täglich in der Kanzlei rundgehen ließ. Der Kalender war in dreißig Kästchen aufgeteilt, die für die einzelnen Tage standen, und begann heute. In die Kästchen waren die Termine eingetragen, die die Prozessanwälte der Kanzlei wahrzunehmen hatten. Reece nahm einen Stift und kreiste damit zwei Kästchen ein. Als Erstes den heutigen Tag, den 26. November, und als Zweites den 9. Dezember. Dann tippte er mit dem Stift auf das zweite Datum und sagte: »Lesen Sie das.«
    Taylor beugte sich vor.
    »Lesen Sie laut.«
    Sie warf ihm einen fragenden Blick zu und tat dann wie geheißen. »Banque Industrielle de Genève gegen Hanover & Stiver, Inc. Verfahren. 10 Uhr, keine weitere Vertagung.«
    »Mir bleiben genau zwei Wochen, um den Wechsel aufzutreiben, Taylor.«
    »Ich werde mein Bestes tun, Mitchell«, sagte sie und nahm das Blatt. »Kann ich das behalten?«
    »Selbstverständlich.« Er sah auf seine Armbanduhr. »Wir machen morgen weiter. Aber es ist sicher nicht gut, wenn wir uns hier im Haus treffen. Wie wäre es denn morgen um halb zehn im Vista?«
    »In dem Hotel? Natürlich, warum nicht?«
    »Wir können uns auch jederzeit bei mir oder bei Ihnen treffen.« Sein Blick wanderte kurz zur Seite und über einen Aktenstapel. »Bei Ihnen wäre gut. Ginge das?«
    »Ja«, antwortete sie. »Ich befinde mich sozusagen im Stadium zwischen zwei Beziehungen.« Taylor fragte sich, ob er bemerkte, wie sie errötete.
    »Ich weiß, ich habe davon gehört.«
    »Oh!«
    Reece lachte. »Machen Sie nicht ein so überraschtes Gesicht, Taylor. Oder glauben Sie wirklich, in einer Anwaltskanzlei könnte etwas lange geheim bleiben?«
    Wer sind diese Männer und Frauen?
    Ich weißüber sie nicht mehr, als was sie verdienen, wie fachlich kompetent sie sind und wonach sie streben. Aber was weiß ich wirklich über sie?
    Im großen Saal an der Südseite des sechzehnten Stockwerks hört Donald Burdick, wie die Standuhr wie Big Ben zu schlagen beginnt und kurz davor ist, elf Uhr anzuzeigen. Die Partner treffen ein. Die meisten tragen Clipboards oder Aktenmappen und den unverzichtbaren, in Leder gebundenen Terminkalender unter dem Arm.
    In all den Jahren, in denen ich mit diesen Leuten Recht durchgesetzt habe, bin ich immer wieder mit einem kurzen Aufflackern von Widerspenstigkeit, von Brutalität und ab und zu sogar von Grausamkeit konfrontiert worden.
    Und mit Großzügigkeit und Opferbereitschaft.
    Aber wie sieht es wirklich in ihren Herzen aus?
    Sie nehmen im großen Konferenzraum ihre Plätze am Tisch ein. Einige von ihnen, die Neuen, die sich in dieser Umgebung noch etwas unsicher fühlen und ihre Jacketts anhaben, studieren die Kerben im Rosenholz oder ziehen mit dem Zeigefinger die Muster im Marmor nach. Die anderen, die Veteranen, kommen in Hemdsärmeln, um kundzutun, dass sie mitten in der Arbeit stecken und eigentlich für Verwaltungssitzungen wie diese überhaupt keine Zeit haben. Ihre Mienen zeigen, wie lästig ihnen das alles
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