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Ein Tag, zwei Leben

Ein Tag, zwei Leben

Titel: Ein Tag, zwei Leben
Autoren: Jessica Shirvington
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glücklich ausgesehen und jetzt …« Er blickte über die Schulter. » Geht es dir gut? Hast du irgendwas gesehen?«
    Ich kam sofort zu mir – keine glückseligen Momente der Gnade, von denen die Leute immer erzählen, nicht der Bruchteil einer Sekunde, in der ich geglaubt hätte, dass er noch am Leben war; ich erinnerte mich sofort. Aber die Gefühle überkamen mich langsamer, sie brauchten eine scheinbar unerträglich lange Zeit, um meinen verwirrten Geist einzuhüllen. Irgendwie wusste ich, dass sie mich für immer begleiten, mich innerlich immer ersticken würden.
    » Sabine?«, sagte Ryan wieder.
    Alles war bedeutungslos.
    Ich ließ Ryans Hand los. » Ich werde jetzt schlafen, Ryan. Vielleicht ist es am besten, wenn du jetzt gehst.«
    Ich wartete seine Antwort nicht ab, sondern drehte mich einfach um und wünschte mir, dass die Medikamente, mit denen sie mich vollgepumpt hatten, den schrecklichsten Schmerz, den man sich vorstellen konnte, lindern würden.
    Am Morgen kamen und gingen Leute, aber ich war wie betäubt. Mom und Dad besuchten mich. Ich blieb den ganzen Tag, bis in die Nacht hinein, in meiner zusammengerollten Position. Die Ärzte nahmen an, dass es eine Reaktion auf das war, was Dex mir angetan hatte. Ich ließ sie in dem Glauben.
    Nichts davon war von Bedeutung. Er war nicht mehr da.
    Ich driftete immer wieder ab und wachte wieder auf. Schließlich hatte ich wohl den Wechsel vollzogen, denn das nächste Mal, als ich aufwachte, war ich fix und fertig und kam in meinem Zimmer in der Klinik zu mir.
    Mom saß im Lehnstuhl. Es musste wohl später am Tag sein.
    Tränen liefen mir über die Wangen, noch bevor ich die Augen aufschlug. Ich fragte mich, ob ich die ganze Betäubung hindurch geweint hatte.
    » Sabine? Denise hat mich angerufen. Sie … sie hat mir von dem jungen Mann erzählt, der hier gearbeitet hat und gestorben ist. Sie hat gesagt, dass er dir geholfen hätte und dass ihr euch nähergekommen wärt. Wir haben Ethan immer im Laden gesehen, er war immer sehr nett. Es tut mir leid, Sabine.«
    Ich war völlig leer. In gewisser Hinsicht wollte ich böse sein auf Mom, wollte ihr und Dad die Schuld dafür geben, dass sie mir das angetan hatten. Am liebsten hätte ich um mich geschlagen und allen erzählt, dass er mir nicht einfach nur geholfen hatte. Dass er mich geliebt hatte und dass ich ihn geliebt hatte. Aber es war sinnlos. Das, was ich am meisten wollte, würde ich niemals bekommen.
    Nachdem Mom mir die Hand getätschelt hatte, als wäre ich ein krankes Tier, und zu mir gesagt hatte, dass sie bald wieder käme, ging sie. Als ich sicher war, allein zu sein, schob ich den Lehnstuhl vor die Tür und kramte die Tüte mit den Sachen, die ich aus dem Drogerieladen geholt hatte, unter meiner Matratze hervor. Ich schüttete den Inhalt aufs Bett.
    Ich war entschlossen, es ihm heimzuzahlen. Gerade als ich geglaubt hatte, dass er mich nicht austricksen wollte, hatte er mir das Gegenteil bewiesen. Ich hatte in seinen Armen gelegen, mich einem Leben hingegeben, das ich mit ihm hatte verbringen wollen, und dabei war er gerade dabei gewesen, von seinem eigenen Leben Abschied zu nehmen.
    Shit.
    » Verdammt, Ethan. Wie konntest du mich nur verlassen? Wie konntest du mich nur dazu bringen zu bleiben und mich dann einfach … zurücklassen?«
    Meine Hände zitterten, als ich die erste Tablettenschachtel nahm und die Tabletten aufs Bett drückte. Es wäre so leicht, sie zu nehmen und dann wieder zu schreien. Die Ärzte würden zurückkommen und mich betäuben. Mit ein bisschen Glück würde ich nie wieder aufwachen. Ich würde keine Schmerzen mehr ertragen müssen, würde keinen Augenblick mehr in dieser Welt ohne ihn leben müssen, mich nicht mehr daran erinnern müssen, wie sehr ich mich nach ihm sehnte.
    Ich nahm die Tabletten in meine Hand, ließ sie durch meine Finger rieseln, bevor ich das Ganze wiederholte. Wo immer er hingegangen war, konnte ich nicht mit ihm gehen?
    Doch die Minuten verstrichen und ich konnte die Tabletten nicht nehmen. Ich dachte dauernd an Maddie. Wenn ich das tat, würde ich sie verlassen, genau wie er mich verlassen hatte.
    » Was hast du mir angetan?«, weinte ich.
    Denn so wenig ich das auch wollte – ich konnte all die Dinge, die Ethan mir versucht hatte zu sagen, so deutlich hören. Die Art und Weise, wie er gesagt hatte, dass er nur existierte, weil ich da war und es sah. Da hatte er es mir gesagt. Ich hatte nur nicht richtig zugehört. Als er mir sagte, dass er in meiner
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