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Ein Stueck vom Himmel

Ein Stueck vom Himmel

Titel: Ein Stueck vom Himmel
Autoren: Karl Lukan
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Mistkübel ist zum Sektkübel geworden. Zwei Plastikbecher wurden dann unsere Sektflöten beim Anstoßen.
    Selbstverständlich gab es am nächsten Tag auch herrliches Wetter und alle waren begeistert von der Kante. Doch bevor wir die Biwakschachtel wieder verließen, sah ich Schwanda vor ihr stehen und zu seiner Geburtstagskante hinaufschauen. Er schaute gar nicht glücklich drein.
    »Wie viele solche Klettereien wird es noch geben, von denen wir vorher net gewusst haben, dass es sie gibt?«, fragte er mich. Ich wusste es nicht.
    »Und warum ist das Leben so kurz, dass man net alle machen kann?«, wollte er noch wissen. Aber auch das wusste ich nicht.

DIE HIMMELSLEITER AM
WIENER STEPHANSTURM
    In seinem 1802 erschienenen Buch »Ausflüge nach dem Schneeberge in Unterösterreich« schilderte der Professor an der theresianischen Ritter-Akademie in Wien, J. A. Schultes, auch seine Empfindungen auf dem Gipfel beim »Anblick hinab in den tausend Klafter tiefen Abgrund«.
    Recht gruselig liest sich das: »Man bebt zurück, und doch wird man unwiderstehlich angezogen zum Rande des Abgrundes, um hinabzusehen in die grundlose Tiefe. Im Kampfe der Furcht und der Neugierde sah ich hier manchen Zuflucht suchen bey der Mutter Erde, und nur an dieser hinkriechend es wagen hinabzublicken in die Tiefe des Precipices, das die rothen Schattierungen der Kalkfelsen, als triefen sie noch vom Blute der Erfallenen, noch gräßlicher mahlen.«
    Heute wird kaum noch jemand auf Mutter Erde kriechend vom Schneeberggipfel in die Tiefe schauen. Aber nicht schwindelfreie Menschen gibt’s noch immer.
    Der Teilnehmer einer Vereins-Führungstour erzählte mir einmal, warum er klettern geht: »Wir haben eine neue Wohnung bekommen – im achten Stockwerk! Aber ich bin nicht schwindelfrei und mir wird ganz gruselig, wenn ich beim Fenster hinausschau. Jetzt hat mir ein Arbeitskollege geraten, klettern zu gehen ... da gewöhnt man sich an Tiefblicke.«
    Kletterer empfinden im senkrechten bis überhängenden Fels sogar ein prickelndes Hochgefühl. Nur einmal habe ich hoch über der Tiefe ein mulmiges Gefühl gehabt. Das war damals, als wir vom Sturmwind umweht auf der Spitze vom Wiener Stephansturm gestanden sind.
    Im Zweiten Weltkrieg wurde der Wiener Stephansdom schwer beschädigt und nachher in einer erstaunlich kurzen Zeit wiederhergestellt. Sooft ich damals am »Steffl« vorbeikam, freute ich mich, dass schon wiederum ein Stück von ihm so war, wie es einmal war.
    Einmal – es war ein klarer Tag – sah ich unter der Spitze des Turmes an seiner Außenwand eine schmale Eisenleiter. Über diese Leiter höherzusteigen und dann beim Kreuz auf der Spitze des Stephanturmes zu stehen – das musste ein gewaltiges Erlebnis sein. Aber diese Himmelsleiter, so wurde mir gesagt, durften nur Arbeiter der Dombauhütte ersteigen.
    Ist’s wirklich so, dass das, was man sich sehnlich wünscht, dann doch in Erfüllung geht?
    Domprälat und Erzdechant von St. Stephan in Wien, Dr. Alois Wildenauer, war in seinen jungen Jahren Pfarrer von Grünbach am Fuß der Hohen Wand und zugleich auch Erstbegeher von Kletterwegen an diesem Berg.
    Sein 1919 erschienener »Kletterführer für die Hohe Wand« ist eine Kuriosität unter den alpinen Führerwerken – man glaubt beim Lesen eine milde Kanzelpredigt zu hören ...
    »Stolz blicken wir hinab in den besiegten schwarzen Schlund, vor dem so manches Menschenkindlein, hierher an den Rand gestellt, in Angst und Beben sich bekreuzen würde und steigen dann mit freudgeschwellter Brust noch die letzten Schrofen empor«, schrieb der Pfarrer über den Ausstieg der Turnerbergsteiger-Kamine. Nie haben wir es versäumt, nach einer Durchsteigung des Kamins am Ausstieg laut diesen Text zu deklamieren (wobei wir zum Schluss noch ein »Amen« sprachen).
    Einmal hatte er in einer Alpinzeitschrift einen Artikel veröffentlicht, in dem er meinte, dass auch in brenzligen Situationen beim Klettern nicht gotteslästerlich geflucht werden muss. Und er zitierte dann eine Reihe »unschuldiger Kraftworte«. Am darauf folgenden Wochenende waren nur noch diese in unseren Peilsteinfelsen zu hören. »Donnerwetter!« – »Ei Potzblitz!« – »Zum Kuckuck noch einmal!«
    Unser liebenswerter Hohe-Wand-Pfarrer hatte nur Freunde. Zu irgendeinem Jubiläum kamen daher Vertreter aller alpinen Vereine, um ihn mit vielen (meist allzu langen) Huldigungsreden zu ehren. Ich sollte das für die Bergsteigergruppe unseres Vereines tun. Ich machte es ganz kurz.
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