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Ein Stueck vom Himmel

Ein Stueck vom Himmel

Titel: Ein Stueck vom Himmel
Autoren: Karl Lukan
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anschaute.
    Zurück zum Normalweg?
    Zum Greifen nah lag die Alpe Solalex unter uns. Wir blieben in der goldrichtigen Schlucht.
    »Auch das Klettern im brüchigen Fels hat seinen Reiz!«, hatte Schwanda uns Bergsteigerschülern vom Jahr 1940 gesagt. Und an einem Bruchwandl hatte er uns dann mit den Feinheiten des Kletterns im brüchigen Fels vertraut gemacht. Ein Beispiel: Auch ein loser Griff kann guten Halt geben, wenn man ihn fest in den Fels hineindrückt. Brüchiger Fels verlangt bedachtsames Klettern – und dabei vergeht die Zeit schneller, als man glaubt. Dämmerig war es geworden, in unserem Berggasthof brannte schon Licht. Doch je näher wir zu diesem Licht kamen, desto kleiner erschien es uns ...
    Der große Speisesaal war stockfinster, nur in einem Nebenraum brannte das Licht. Darin saß der Hausknecht vor einem Kreuzworträtsel. »Bedaure, meine Herrschaften«, sagte er. »Heute können Sie nichts zu essen bekommen. Am Sonntagabend ist unsere Küche geschlossen!«
    Es gab aber doch noch ein Happy End.
    Der Hausknecht führte uns in ein blitzsauberes Matratzenlager. Schwanda fand noch zwei Sardinendosen im Rucksack, Scarpietti ein (zwar schon einige Tage altes) Brotscherzl, und auch der Hausknecht hatte noch einige Scheiben Brot aufgetrieben. Ernst dozierte: »Viel Essen am Abend soll ohnehin gesundheitsschädlich sein!«
    Jeder von uns hatte an diesem Tag nicht nur eine der schönsten Klettereien seines Lebens gemacht, sondern auch noch eine der brüchigsten und grauslichsten. Und das alles auf ein und demselben Berg.
    Lange saßen wir noch auf der Terrasse und schauten hinauf zu diesem Berg. Auch im Finstern der Nacht dominierte der »Große Spiegel« als großer heller Fleck an ihm. Walter Pause hatte mit seinen »100 Genussklettereien in den Alpen« die Kletterer zu neuen Zielen in Trab gesetzt. Wäre das Pause-Büchl nicht erschienen, wären die zwei Jungs aus Bremerhaven nie auf die Preinerwandplatte im Osten der Alpen gekommen und wir fünf Wiener niemals auf diese Riesenplatte im Westen. Eine Sternschnuppe fiel vom Himmel. Fritzerl rief: »Wünscht euch was!« Aber eigentlich wollte sich an diesem Tag keiner von uns noch etwas wünschen. Wir waren wunschlos glücklich.
    Und von einer Genusskletterei,
die keine »Pause-Tour« ist
    Ein Kärntner Kletterer hatte uns von der Nordostkante der Hohen Weißenbachspitze (2257 m) in den Westlichen Julischen Alpen erzählt. Wir hatten sie gemacht und damit ein prächtiges Geburtstagsgeschenk für Hans Schwandas siebzigsten Geburtstag gefunden. Schon seit vielen Jahren feierten wir seinen Geburtstag mit einer besonderen Kletterei, bei der er nichts tragen musste, außer seinem eigenen Schnäuztüchl.
    Die Schleierkante an der Cima della Madonna in den Dolomiten gilt als die schönste Kletterei im Kalkfels. In seinem Buch hatte Walter Pause ihr nur eine Tour gleichgestellt – den Gran Pilaster an der Pala di San Martino. Er preist an dem Pfeiler die großen festen Griffe. So gesehen könnte man die Kante der Hohen Weißenbachspitze auch den »Gran Pilaster der Julischen Alpen« nennen, wenn an ihr nicht die Griffe noch größer wären. Man kann direkt an der Kantenschneide klettern oder auch zwei Meter links oder rechts von ihr – man findet überall genügend Griffe in dem rauen, eisenfesten Fels. Allerdings einen Schönheitsfehler hat diese Kante: Sie ist zu kurz. In einem solchen Idealfels dritten Schwierigkeitsgrades möchte jeder gerne länger unterwegs sein.
    Zu einer vollkommenen Genusskletterei gehört auch ein dazu passender Abstieg. Wer steht schon gern nach einer rassigen Steilkletterei bloß auf einen Kuhberg? Andererseits: Wilde Abseilfahrten oder die Suche nach einem komplizierten Abstiegsweg werden nach einer Genusskletterei auch nicht geschätzt. Der Abstieg von der Weißenbachspitze – der Kugyweg – ist eine kurze Kletterei des zweiten Schwierigkeitsgrades. Er passt!
    Alles passte. Keine urlaubszeitvolle Schutzhütte war unser Stützpunkt, sondern eine einsame Biwakschachtel zweieinhalb Stunden oberhalb der von Tarvis zum Neveapass führenden Straße. Und von der Biwakschachtel sind es dann nur noch 20 Minuten zum Einstieg der Kante.
    In der Biwakschachtel traf sich die kleine, aber feine Geburtstagsgesellschaft. Einer der Freunde hatte sogar eine Flasche Sekt mitgebracht. Und weil feine Leute nur gekühlten Sekt trinken, haben wir in dem Mistkübel der Biwakschachtel Schnee von einem Schneefeld unter den Wänden geholt – und der
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