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Ein Stueck vom Himmel

Ein Stueck vom Himmel

Titel: Ein Stueck vom Himmel
Autoren: Karl Lukan
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wurde in den Schutzhütten viel mehr gesungen. Aber nach dem Zweiten Weltkrieg fanden wir keine rechte Beziehung mehr zu den Texten der alten Bergsteigerlieder ... »und sollt ihr mich zerschmettert finden am Fuß von einer Felsenwand«. Als ich in den Sechzigerjahren in Essen (Ruhrgebiet) einen Vortrag gehalten hatte, holte nachher einer der Jungen eine Gitarre hervor und alle sangen mir dann ihr neuestes und liebstes Bergsteigerliedl vor ...
    Franzl, heute gehn wir klettern,
    geh nur immer du voran.
    I wer schon recht schrein und zetern
    wenn i nimmer weiterkann.
    Nimm mi ans Seil, nimm mi ans Seil
    Franz, i merk scho, die Wand wird mir zu steil!
    Und dann jammert sich der Kletterer Strophe um Strophe die Wand hinauf ...
    »Franzl, geh ziag (ziehe), Franzl, geh ziag!
    Franzl, geh halt mi, i gspür schon, i fliag!«
    Doch auf dem Gipfel wird der Kerl wieder frech und munter:
    »Gott sei Dank, jetzt sind wir droben.
    Doch der Franz ist müd und matt
    und er kann den Herrgott loben,
    dass er so einen Partner hat!
    Gib mir die Hand, gib mir die Hand!
    Ohne mi wärst es doch net imstand.«
    Im Wilden Kaiser ist dieses Liedl in allen Schutzhütten gesungen worden und es hatte den Essenern so gut gefallen, dass sie sich begeistert sofort den Text abgeschrieben hatten. Sie wollten es nicht glauben, dass dieses Lied vom Gegenteil aller bisher besungenen markigen Berghelden von den Wiener Kletterern schon seit vielen Jahren gesungen wurde. Von Hans Schwanda stammt die Melodie, den Text dichtete Pauli Wertheimer ... Dichtete?
    Pauli war ein Naturtalent und wenn ihn irgendwas zum Dichten reizte, dann schüttelte er die Reime einfach nur so aus dem Ärmel. So wie er sein Leben lang auf Berge geklettert ist, so waren auch seine Gedichte – locker. Er brauchte weder eine Muse, die ihn küsste, noch eine stille Klause, um auf eine Inspiration zu warten. Er hatte seine Gedichte schon auf dem Rücksitz von fahrenden Autos verfasst wie auch auf dem stillen Örtchen einer übervollen Schutzhütte; er hat sie auf Speisekarten gekritzelt und einmal sogar auf die Rückseite einiger Straßenbahnfahrscheine (wobei er dann beim Vortragen Schwierigkeiten hatte, jeweils den Schein mit der Fortsetzung zu finden). »Pauli, mach ein Gedicht!«, wurde er unzählige Male gebeten, und so hatte er auch unzählige Gedichte gemacht.
    Pauli war ein richtiges Wiener Kind; seine Gedichte sind lustig, auch kritisch und etwas bissig, aber nie bösartig. Sie lassen auch etwas von der Freude spüren, die er beim Niederschreiben hatte. Nur einmal ist dem Pauli nix, absolut nix eingefallen ...
    Als Schwanda, Pauli und ich noch mit unserem »Alpinen Kabarett« unterwegs waren, wollten wir einmal Paulis Gedicht von der »Show in der Todeswand« akustisch ausbauen:
    »Soll sich alles um dich drehen,
    willst du in der Zeitung stehen,
    steig in eine Todeswand,
    denn dann wirst du interessant.
    Du darfst keine Wand begehen,
    wo dich nur die Gämsen sehen,
    weil die Gämsen vieles treiben,
    aber keine Zeitung schreiben ...«
    Tonbandgeräte waren damals noch was Neues (und hatten noch die Größe von einem Reisekoffer), und für unseren Tontechniker Pauli gab es noch Anfängerschwierigkeiten beim Finden der richtigen Knöpfe und Tasten. Sieben Uhr Abend war es, bis wir endlich mit den Aufnahmen beginnen konnten.
    Und da begannen für uns erst die Schwierigkeiten. Regentropfen und Hagelkörner sollten auf den Fels prasseln – doch als wir mit einer Gießkanne Wasser in eine Schüssel schütteten, klang das nur wie das sanfte Rieseln eines Marienbründls.
    Richtig prasseln tat es erst, als wir Bohnen in einen Blechtopf schütteten.
    Lange dauerte es, bis wir in unserer Wohnung die richtige Tür fanden, deren Zuschlagen wie Donner klang. Das Scharren der Fingernägel nach einem Griff im blanken Fels gelang uns mit einem Reibeisen aus der Küche. Und zum Stein, der den Todeswandbezwingern vom Herzen fiel, als sie den Gipfel erreichten, wurde für uns ein Stapel Bücher, den wir auf den Tisch plumpsen ließen ... aus ... Ende.
    Auch uns fiel ein Stein vom Herzen. Mitternacht war’s geworden und wir waren hundemüde. Nur das ganze Tonbandl wollten wir noch hören.
    Pauli drückte aufs Knöpfchen. Das Band lief. Wieder ein Druck aufs Knöpfchen – und der Pauli schaute drein wie der gesammelte Weltschmerz persönlich. »Kinder, jetzt hab ich das ganze Bandl wieder gelöscht!«
    Darüber ist Pauli kein Gedicht eingefallen! Er, der über Gott und die Welt blitzschnell
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