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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens
Autoren: Richard Ford
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er. »Findest du, daß ich wie vierunddreißig aussehe?«
    »Du bist verheiratet«, sagte sie.
    »Du auch.«
    »Richtig«, sagte sie. »Laß uns jetzt nicht darüber reden.« Eine der Tränen löste sich und fiel auf ihre Lippe hinunter.
    »Ich möchte wissen, wie es kam, daß du wieder geheiratet hast«, sagte er und hielt den Pickup in der Spur.
    Sie umarmte ihn, so daß die Träne weggewischt wurde, und legte die Arme um seinen Bauch. »Also, ich bin mit meinem Wagen nach Albuquerque gefahren und dann nach Alameda rausgezogen. Weißt du, wo das ist?«
    »Ich bin bloß zweimal dagewesen«, sagte er und fühlte eine Wärme in sich aufsteigen.
    »Es ist nicht weit weg«, sagte sie. »Ich hab mir ein kleines Haus genommen und bin jeden Abend zur Arbeit zu Howard Johnson’s gefahren. Ich nenn es Howard’s.« Sie strich mit einem Fingernagel an seinem Schenkel hoch und ließ seinen Nacken kalt werden. »Ich bin also einen Abend mit meinem Wagen so ’ne Straße langgefahren, die überhaupt nicht beleuchtet war, und hab Ezra Brooks getrunken. Und irgendwie bin ich von der Fahrbahn abgekommen und hab so ’nen Mann frontal getroffen und getötet, einfach umgemäht wie Unkraut. Er hat nicht mal mehr gemerkt, was ihn eigentlich getroffen hat.  Rumms  – er ist einfach umgefallen.« Sie ließ ihre Hand andersherum auf seinen Schenkel plumpsen. »Genau so. Ich hatte nicht mal Zeit zu hupen. Ich hab angehalten und bin zurückgegangen und hab gesehn, daß er sich nicht mehr bewegte, und hab sein Herz befühlt, aber es flatterte nicht mal mehr, und ich dachte, daß ich keine Krankenschwester holen mußte, um zu wissen, daß er tot war. Aber es war überhaupt kein Blut an ihm zu sehen. Er war so sauber, als hätte er gerade seinen Anzug angezogen. Also bin ich losgegangen, die Straße runter zur Amoco-Tankstelle, damit einer von den Jungs die Polizei anrief. Und Gott sei Dank hatte ich mein Ezra in den Graben geschmissen, als ich nämlich die Straße runter ging, hat irgendein Besoffener versucht, langsam von hinten an mich heranzufahren und neben mir zu halten, aber statt dessen hat der Scheißkerl mich angefahren, mich in den Graben geschleudert, und ich hab mir das Bein gebrochen. Das Arschloch ist einfach weitergefahren und hat mich völlig zerschlagen liegengelassen. Erst als die Polizei vorbeigekommen ist und  meinen  Wagen gefunden hat und den Mann, den ich überfahren hatte, haben sie mich im Graben weiter oben entdeckt, wie ich mir die Seele aus dem Leib geplärrt hab.«
    Sie sah ihn hoffnungsvoll an.
    »Und wie ist es gekommen, daß du wieder geheiratet hast?« fragte er.
    Sie trommelte mit den Fingern auf seinem Bein. »Weil sie uns im St. Dominics-Hospital wegen so einer plötzlichen Überschwemmung in den Bergen zusammengepfercht haben.« Sie spitzte die Lippen und sagte eine Weile gar nichts. »Sie haben all diese Leute ins Krankenhaus gesteckt, und ich mußte mein Zimmer mit einem Mann teilen. Und das war dann Larry. Er ließ sich einen Leistenbruch operieren, den er sich beim Ziegelschleppen geholt hatte. Und sobald er draußen war, hat er angefangen, mir Blumen zu bringen, und als ich rauskam, sind wir hierhin gegangen und dorthin, und dann haben wir uns einfach gut verstanden. Ist das nicht romantisch?« Sie lächelte.
    »Und wie lange kanntet ihr euch dann?« fragte er.
    »Zwei Monate, eine Woche mehr oder weniger«, sagte sie, »alles in allem.«
    »Das ist nicht sehr lang«, sagte er.
    »Das Leben ist schnell vorbei«, sagte sie, ließ ihre Hand hochgleiten und machte seine Hose auf. »Ich hab keine Lust mehr, zu reden«, sagte sie und sah auf ihre Hand, die in seiner Hose herumfuhr, als ob sie hinter etwas her wäre, das einfach nicht stillhalten wollte.

5
    Curvo lag fünfzehn Kilometer vom Highway entfernt an einer Schotterstraße, die in einer gewaltigen Kurve nach Osten und wieder nach Norden führte und den Ort einschloß, der nur aus einem roten Schindelhaus, zwei Pumpen mit Glasballons und einer Reihe von hingepfuschten Nebengebäuden bestand und sich nach allen Richtungen zur Wüste hin öffnete. Er konnte erkennen, daß die Nebengebäude in Wirklichkeit verschiedene Käfige waren, mit gewelltem Hühnerdraht davor, damit man von außen hineinsehen konnte. An dem größten Verschlag, einem quadratischen verwitterten Schuppen, der aus zersägten zwei mal vier Zoll großen Brettern gebaut und dessen Tür entfernt und auch durch neuen Hühnerdraht ersetzt worden war, hing ein frischgemaltes
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