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Ein sinnlicher Schuft

Ein sinnlicher Schuft

Titel: Ein sinnlicher Schuft
Autoren: Celeste Bradley
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Piraten?
    Einen kurzen Augenblick lang wünschte er sich, selbst erst drei Jahre alt zu sein, einfach losschreien zu dürfen und für nichts verantwortlich zu sein.
    »Nein! Ich werd nich gehen! Und du kannst mich verdammt noch mal nich dazu zwingen!«
    Colin hob beim Klang der wütenden Stimme den Kopf und hielt automatisch Melodys Ohren zu, um weitere Schimpfwörter von ihr fernzuhalten. Ihr Wortschatz in dieser Hinsicht war ohnehin recht umfangreich, eine Folge der ersten Jahre in ihrer Pflegestelle. Auch während ihrer Fahrt hatte sie einige peinliche Kostproben geliefert.
    Ein Junge trat von hinten auf die Bühne, stampfte wütend mit den zu großen Stiefeln auf, die nicht gerade sauberen Hände zu Fäusten geballt, und verzog finster das Gesicht, das offenbar nur selten Bekanntschaft mit Seife zu machen schien. Als er Colins Blick bemerkte, erwiderte er ihn streitlustig.
    »Was starrn Sie mich denn so an, Sie feiner Pinkel Sie?«
    Colin blinzelte den zwergenhaften Pöbler bestürzt an. Der Kleine mochte kaum älter sein als zwölf, wirkte zudem unterernährt, und in seinen großen grauen Augen las er vorzeitige Reife und leidvolle Erfahrungen. Ein Kind ohne Kindheit. Colin schüttelte verwundert den Kopf. Wann hatte er damit angefangen, Kinder zu beachten?
    »Ich suche nach Chantal Marchant«, erklärte er dem Jungen. Warum tat er das? Also wirklich, für jemanden, der nicht wusste, in welcher Beziehung sie beide zueinander gestanden hatten, musste das alles sehr befremdlich wirken.
    »Erbärmlich is das«, sagte der Junge jetzt und rief über die Schulter nach hinten: »Da is noch so’n feiner Galan, der sie sucht.«
    Colin drehte sich um und betrachtete den Schatten hinter den halb zugezogenen Vorhängen. Er sah, wie sich die Gestalt graziös herabbeugte, etwas auf dem Bühnenboden ablegte und dann die Arme über den Kopf hob wie eine Tänzerin. Er konnte erkennen, dass sie zierlich gebaut, ihr Busen jedoch voll und weich war. Was für eine reizende Figur!
    Jetzt senkte sie die Arme und stützte die Hände in die Hüften. Die Pose sorgte dafür, dass ihre schmale Taille erst richtig zur Geltung kam. Wirklich spektakulär. Colin lehnte sich zur Seite, um das Schattenbild besser sehen zu können. Chantal?
    Dann hörte er eine recht tiefe, samtweiche Stimme. »Lass den feinen Herrn in Ruh, Evan. Er kann nix dafür, dass er so’n Idiot ist.«
    Colin war von dem sinnlichen Klang so abgelenkt, dass er zunächst weder die Gossensprache registrierte noch die Beleidigung. Als ihm zu Bewusstsein kam, dass die junge Frau hinter dem Vorhang ganz und gar nicht seiner sozialen Schicht entstammte, lächelte er wehmütig. Schade!
    Trotzdem konnte er es kaum erwarten, sie in natura zu sehen. Falls ihr Gesicht zu diesem Körper und dieser Stimme passte… Nun, vielleicht müsste er dann seine Ansprüche ein wenig anpassen.
    Sie trat hinter dem Vorhang hervor und stand im hellen Licht, das durch die großen, dem Meer zugewandten Doppeltüren in den Saal fiel. Colin verspürte einen Anflug von Enttäuschung. Sie war zwar nicht wirklich unattraktiv, jedoch ein wenig gewöhnlich. Ihre schmalen, kantigen Gesichtszüge entsprachen nicht dem gängigen Schönheitsideal, wenngleich ihre intensiven grauen Augen das einigermaßen wettmachten. Tatsächlich ähnelten sie auf eklatante Weise denen des Jungen. Ihr Sohn?
    Sie erwiderte seinen Blick mit hochgezogenen Augenbrauen. Plötzlich hatte er das beklemmende Gefühl, dass sie genau wusste, was er von ihr dachte. Sie warf dem Jungen ein Bündel zu. »Evan, wir haben keine Wahl. Geh und frag den Kutscher, ob er uns für einen Schilling auf dem Dach mitfahren lässt.«
    Evan grinste. »Wir haben keinen Schilling.«
    Sie drehte sich wieder um und betrachtete Colin abschätzend. »Aber bald.«
    Evan gab sich geschlagen und stapfte nach draußen, nicht jedoch ohne Colin einen letzten missgünstigen Blick zuzuwerfen.
    Die junge Frau kam zu ihm herüber und blieb vor ihm stehen, während sie die schlafende Melody auf seinem Schoß betrachtete. »Sie haben Glück«, sagte sie und deutete mit dem Kinn auf das Kind. »In dem Alter is alles noch einfach.«
    Allein der Gedanke, dass es schwieriger werden könnte, verursachte Colin Unbehagen. »Wirklich?«
    Sie raffte ihre Röcke, ließ sich neben ihm nieder und baumelte mit den Füßen, die in abgetragenen Stiefeln steckten. »Klar. Jetzt glaubt sie noch, Sie könnten ihr die Sterne vom Himmel holen. Sie sind ihr Held. Wenn sie größer wird,
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