Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein schicksalhafter Sommer

Ein schicksalhafter Sommer

Titel: Ein schicksalhafter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Frenken
Vom Netzwerk:
wie du verschwunden warst.“ Hermann schob seinen Stuhl an den Tisch und ging zur Tür. „Komm, Robert, ich zeig dir deine Unterkunft. Aber vorher hole ich dir noch etwas Melkfett für dein Gesicht.“
    Erleichtert verabschiedete Robert sich mit einem Nicken und folgte Hermann Nessel nach draußen.
     
    Als sich Hermann wenig später wieder zu seiner Familie gesellte, hörte er die erregten Stimmen bis in den Flur. Er pustete genervt, fügte sich in das Unvermeidliche und betrat forsch das Esszimmer.
    „Papa, wie konntest du nur?“, empfing ihn Sofia aufgebracht. Sie ging im Zimmer auf und ab und rang die Hände. „Früher hatten wir ja auch schon mal Wander- und Saisonarbeiter als Erntehelfer gehabt, und die waren auch nicht alle das Gelbe vom Ei gewesen, aber Robert Kalter übertrifft sie alle.“
    „Wie ich nur konnte? Wir brauchten Hilfe, und er war der Einzige, der zu finden war. Außerdem kann ich mich nicht beklagen. Er arbeitet wie ein Pferd.“ Er nickte noch einmal zur Bekräftigung seiner Worte.
    „Die Augen, das Teufelsmal, und dann ist er auch noch Linkshänder. Er ist ein Teufel“, schloss Oma düster.
    „Also, Mine, bitte!“, rief Luise schrill.
    „Ob er überhaupt einen vollständigen Satz zusammenkriegt?“
    „Ja, Katrin, kriegt er.“ Langsam wurde Hermann ärgerlich. „Heute Mittag hab ich mich mit ihm ein wenig unterhalten.“ Wenn man drei Fragen Unterhaltung nennen konnte. „Ihr wart ja auch nicht sonderlich höflich. Vielleicht war er ja deshalb so mürrisch“, versuchte er eine Erklärung zu finden. „Außerdem ist er hier, um zu arbeiten und nicht, um zu schwatzen.“
    „Und jetzt schläft er auch noch hier im Haus.“
    „Er schläft im Anbau, Katrin.“
    „Der direkt an unserem Haus liegt. Ich für meinen Teil schließe heute Nacht meine Tür ab.“
    „Habt ihr gesehen, wie groß er ist? Er sieht aus wie ein Ungeheuer“, steuerte Otto zum Gespräch bei.
    „Und die Lumpen, die er an hat.“ Sofia konnte sich offensichtlich nicht beruhigen.
    „Ja, Hermann, da müssen wir uns etwas einfallen lassen“, fing nun Luise an. „Deine Sachen sind ihm zu klein, also müssen wir ihm welche kaufen. Bis dahin muss ich seine Sachen eben flicken.“
    „Das geht nicht“, sagte Hermann. „Soll er nackt arbeiten, solange du flickst?“
    „Er hat gar kein Gepäck?“ , rief Luise entsetzt.
    „Doch, er hat eine Reisetasche, aber scheint nicht viel drin zu sein, wenn man sich seine Kleidung betrachtet.“
    „Das ist auch nicht normal“, sagte Katrin düster.
    Hermann atmete tief durch. „Jetzt passt einmal auf. Seit Wochen suchen wir jemanden. Es sind im Moment kaum Tagelöhner zu finden, weil alle mitten in der Ernte sind. Und sollte ich doch Glück haben, würde derjenige mir ins Gesicht lachen. Denn, falls ihr das vergessen haben solltet, ich kann nämlich nichts bezahlen. Und Kalter ist bereit, erst einmal auf den Lohn zu verzichten. Den schickt der Himmel, Landstreicher hin oder her.“
    Katrin sah ihren Vater nachdenklich an. „Ein Knecht, der ohne Lohn arbeitet“, murmelte sie. „Die ganze Arbeit hier auf dem Hof, für die er zur Verfügung stehen muss. Vieh füttern und pflegen, das Gespann führen, Haushaltsbesorgungen, Bestellung der Felder und die Erntearbeiten, Papa! Und alles ohne Bezahlung! Findest du das nicht seltsam?“
    „Ich nehme an, er ist froh, wenn er was zu beißen kriegt, so abgemagert, wie der aussieht.“
    „Hoffentlich bleibt er auch noch, wenn er sich den Bauch vollgeschlagen hat“, murrte Katrin.
    Hermann reichte es. „Ich bin ein kranker Mann, und ihr regt mich auf. Ich will kein Wort mehr davon hören.“
     
    Robert stand unter dem Eingangstor, durch das man in den Vierkanthof gelangte und sah auf das Haus. Alle schliefen noch und die Fensterläden waren geschlossen. Er war gestern erschöpft in sein sauberes Bett gefallen und hatte geschlafen wie ein Toter. Als er wach wurde, hatte er schon gedacht, Gott weiß, wie spät es schon wäre , um dann verwundert festzustellen, dass es noch nicht einmal richtig hell war. Das Unwetter war weggezogen und die Luft roch wunderbar frisch. Also hatte er beschlossen, sich etwas umzusehen.
    Der Hof bildete mit seinen Gebäuden ein Viereck. Rechts von ihm befand sich das Wohnhaus. Es war ein geräumiges Fachwerkhaus mit Vordach und dem Anbau, den er jetzt bewohnte. Dahinter im rechten Winkel befanden sich die Ställe für das Federvieh und die Scheune. Daran gebaut, wiederum im rechten Winkel, befand sich

Weitere Kostenlose Bücher