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Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Titel: Ein Rückblick aus dem Jahr 2000
Autoren: Edward Bellamy
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wurden? Ich mußte wohl nicht in der richtigen Weise zu ihnen gesprochen haben. Ohne Zweifel hatte ich die Sache ungeschickt angefaßt. Die Leute waren gewiß erzürnt, weil sie meinten, ich wollte Vorwürfe gegen sie erheben, während ich doch – Gott ist mein Zeuge – nur an das Grauenvolle der Tatsachen selbst gedacht hatte, ohne irgend jemand dafür verantwortlich zu machen.
    Ich bemeisterte nun meine leidenschaftliche Erregung und versuchte, ruhig und logisch zu sprechen, um den ersten Eindruck meiner Worte zu berichtigen. Ich versicherte, daß es durchaus nicht meine Absicht gewesen sei, irgendwie die Anwesenden anzuklagen, daß ich nicht daran gedacht habe, sie oder die Reichen überhaupt für das Elend der Welt verantwortlich zu machen. Gewiß: der Überfluß, den sie verschwendeten, könne, anders angewendet, viel bitterem Leid abhalfen. Die köstlichen Speisen, die teuren Weine, die herrlichen Stoffe und blitzenden Juwelen vor uns reichten hin, manches Menschenleben vor Not und Schande zu retten. Sie alle seien also wahrlich nicht frei von der Schuld derer, die in einem Lande Verschwendung treiben, das von Hungersnot heimgesucht ist. Aber auch wenn die Reichen jeder Vergeudung entsagen und sich der größten Sparsamkeit befleißigen wollten, so werde dies nur wenig helfen, die Armut aus der Welt zu schaffen. Der gesellschaftliche Reichtum sei so gering, daß – selbst wenn die Reichen mit den Armen teilten – jeder doch nicht mehr als ein Gericht Brotrinden erhalten würde, das allerdings durch die brüderliche Liebe versüßt werde.
    In der Torheit der Menschen, fuhr ich fort, nicht in ihrer Hartherzigkeit liegt die Hauptursache für die Armut der Welt. Nicht freventliches Verbrechen des Menschengeschlechts noch einer bestimmten Bevölkerungsklasse macht die Menschheit so elend, sondern ein furchtbarer, entsetzlicher Irrtum, eine riesenhafte, die ganze Welt verfinsternde Verblendung. Und darauf zeigte ich den Anwesenden, wie vier Fünftel der menschlichen Arbeit vollständig nutzlos vergeudet werden durch den Kampf aller gegen alle, durch den Mangel eines einheitlichen, planvollen Zusammenwirkens aller schaffenden Kräfte. Um die Sache recht klar und deutlich durch ein Beispiel {25} zu veranschaulichen, verwies ich auf ein dürres Land, dessen Boden nur dann den Lebensunterhalt für die Bewohner trägt, wenn man die vorhandenen Wasserläufe sorgfältig zur Berieselung ausnützt. Ich zeigte, daß es in solchen Ländern für eine Hauptaufgabe der Regierung gelte, darüber zu wachen, daß das Wasser nicht durch die Selbstsucht oder die Unwissenheit einzelner verschwendet werde, da sonst eine Hungersnot unausbleiblich wäre. Zu diesem Zwecke sei die Benützung des Wassers streng geordnet und geregelt, und der einzelne dürfe es nicht nach Belieben vergeuden, seine Läufe ablenken oder eindämmen.
    Die menschliche Arbeit, erklärte ich weiter, ist der befruchtende Strom, der allein die Erde bewohnbar macht. Auch im besten Falle fließt dieser Strom nur spärlich, und so muß sein Lauf nach einem bestimmten Plan geregelt werden, der erlaubt, jeden Tropfen auf die vorteilhafteste Weise zu verwenden, damit alle Menschen reichlich ihren Unterhalt finden können. Aber wie weit sind wir von jeder planvollen Regelung! Jeder einzelne verbraucht das kostbare Wasser des Stromes, wie es ihm beliebt, denn er ist nur von zwei gleich starken Beweggründen beseelt: seine eigene Ernte zu sichern und die seines Nachbarn zu verderben, damit er die seinige um so teurer verkaufen kann. Habgier, Feindschaft und Neid gegen den Nachbarn bewirken, daß das eine Feld überschwemmt wird, während das andere verdorrt und die Hälfte des Wassers verlorengeht. So können in diesem Lande wohl einige wenige durch Gewalt oder List im Überfluß leben, die große Masse dagegen bleibt zur Armut verdammt, und das Los der Schwachen und Unwissenden ist beständiger Hunger und bitterer Mangel am Nötigsten.
    Wenn doch die von Hungersnot heimgesuchte Nation die Aufgabe erfüllen wollte, die sie bisher vernachlässigt hat! Wenn sie doch zum Besten des Gemeinwohls den Lauf des lebenspendenden Stromes regelte! Die Erde würde dann blühen wie ein Garten, und keines ihrer Kinder würde entbehren. Ich schilderte das leibliche Wohlergehen, die geistige Erleuchtung, die sittliche Größe, die unter solchen Verhältnissen das Erbteil aller sein würden. Mit flammender Begeisterung sprach ich von der neuen Welt, die mit Überfluß gesegnet, durch
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