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Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Ein Rückblick aus dem Jahr 2000

Titel: Ein Rückblick aus dem Jahr 2000
Autoren: Edward Bellamy
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wie folgt:
    „Helft dem John Jones! Kümmert euch nicht um die anderen! Sie sind Betrüger! Ich, John Jones, bin der rechte Mann! Kauft von mir! Gebt mir zu tun! Kommt zu mir! Hört auf mich, den John Jones! Seht auf mich! Verwechselt mich ja nicht. Nur John Jones ist der rech te Mann und niemand sonst! Laßt die anderen verhungern, aber denkt um Gottes willen an John Jones.“
    Ob der Jammer oder die Widerlichkeit des Schauspiels vor mir einen stärkeren Eindruck auf mich machte, der ich so plötzlich ein Fremdling in meiner eigenen Stadt geworden bin, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß ich aufs tiefste erschüttert war. Unglückliche, hätte ich ausrufen mögen, die ihr nicht lernen wollt, einander zu helfen, und die ihr deshalb vom Höchsten bis zum Niedrigsten dazu verurteilt seid, einander anzubetteln! Dies entsetzliche Babel schamlosen Eigenlobs und gegenseitiger Herabsetzung, dieser betäubende Lärm von einander widersprechenden und entgegenarbeitenden Anpreisungen, Bitten, Beschwörungen, dieses erstaunliche System frecher Bettelei: was war dies alles anders als die unerbittliche Folge einer Gesellschaftsordnung, in der jeder um die Möglichkeit kämpfen muß, der Welt mit seinen Gaben zu dienen, während es die erste und vornehmste Aufgabe der sozialen Ordnung wäre, diese Möglichkeit einem jeden zu verbürgen!
    Ich erreichte die Washingtonstraße an der Stelle, wo der Verkehr am stärksten war. Dort blieb ich stehen und lachte zum Verdruß der Vorübergehenden laut auf. Und wenn es mein Leben gekostet hätte, es wäre mir unmöglich gewesen, mich zu bezwingen – ein so grimmiger Humor überkam mich beim Anblick der unendlichen Ladenreihen, die sich auf beiden Seiten, Straße auf und Straße ab, vor mir ausdehnten, so weit ich schauen konnte. Das Schauspiel wurde noch toller dadurch, daß innerhalb eines Steinwurfes Dutzende von Läden den nämlichen Artikel verkauften! Läden! Läden! Läden! nichts als Läden! Zehntausend Läden, um die Waren zu verteilen, deren diese eine Stadt bedurfte! Und in meinem Traume war sie von einem einzigen Warenlager aus mit allen Gebrauchsartikeln versorgt worden. Sie brauchten nur in einem der großen Musterlager bestellt zu werden, deren jeder Stadtbezirk ein einziges besaß. Dort könnte der Käufer ohne Verlust von Zeit oder Arbeit unter einem Dache die Muster aller Güter der Welt finden, die er nur wünschen mochte. Die Verteilung der Waren ging mit einem so geringen Aufwand von Arbeit vor sich, daß der Preis für den Käufer nur um einen kaum merklichen Bruchteil erhöht ward. Es war so gut, als ob er nur die Herstellungskosten bezahlte. Hier aber erhöhte das bloße Verteilen der Waren, ihr Hin und Her aus einer Hand in die andere ihren Preis um ein Viertel, ein Drittel, die Hälfte, ja Sogar um mehr als die Hälfte der Herstellungskosten! Was die zehntausende Geschäfte da vor mir für Kosten verursachten, mußte bezahlt werden. Bezahlt werden mußten ihre Mieten, ihre Inspektoren und Direktoren, ihre Heere von Verkäufern, ihre Zehntausende von Buchhaltern, Hausdienern Und anderen Angestellten, ihre Ausgaben für Annoncen, Reklamen und den ganzen Apparat, den der Konkurrenzkampf erforderte, und es waren die Konsumenten, die für alle Ausgaben aufkommen mußten. Welch unübertreffliches Mittel, eine Nation bettelarm zu machen!
    Waren es Männer, die ich um mich her erblickte, oder Kinder, daß sie so wirtschafteten? Konnten es denkende, vernünftige Wesen sein, die nicht einsahen, welche Torheit darin lag, so viel Arbeit und Kraft auf den Weg zu verschwenden, auf dem das Produkt nach seiner Fertigstellung für den Gebrauch zum Konsumenten gelangt? Ist es nicht sehr wahrscheinlich, daß Leute hungrig vom Tische aufstehen, die mit einem Löffel essen, der die Hälfte seines Inhalts zwischen Teller und Lippe fallen läßt?
    Obgleich ich früher schon tausendmal durch die Washingtonstraße gegangen war und das Tun und Treiben der Verkäufer beobachtet hatte, so interessierte es mich heute doch so stark, als ob ich es bisher noch nie gesehen hätte. Verwundert betrachtete ich die Schaufenster der Läden, deren Warenauslagen mit großer Mühe, Sorgfalt und künstlerischem Geschmack so hergerichtet waren, daß sie die Augen auf sich ziehen mußten. Ich sah die Damen, die sich vor den Schaufenstern drängten, um einen Blick auf ihre Pracht zu werfen, und ich beobachtete die Ladenbesitzer, die mit gespannter Aufmerksamkeit die Wirkung des ausgeworfenen Köders
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