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Ein Ring aus Asche

Ein Ring aus Asche

Titel: Ein Ring aus Asche
Autoren: Cate Tiernan
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Bewegungen beruhigten das Baby, das gerade wach war und um sich kickte. Ein kräftiger Tritt ließ mich nach Luft schnappen. Melita lachte, als sie den deutlichen Umriss eines winzigen Fußes ausmachte.
    »Du bist voller Leben«, murmelte sie und blickte lächelnd zu mir hoch. Ihre Augen waren so schwarz wie meine grün, ihr Haar dunkel wie das von Papa.
    Ich lächelte ihr ebenfalls zu und erhaschte dann einen Blick auf Mamans Gesicht, wie sie dastand und grüne Bohnen auseinanderbrach. Sie beobachtete uns besorgt. Sie war in Sorge um mich und das Baby, um Melita und ihre Zauberei. Die Leute sagten, Melita würde schwarze Magie praktizieren, dass sie ihre Seele riskiere und dem Bösen folge. Ich glaubte ihnen nicht und wollte auch nicht weiter darüber nachdenken. Schließlich war sie meine Schwester.
    »Bist du bereit für unseren speziellen Zirkel heute Abend?«, fragte Melita, während sie begann, die Tomaten klein zu schneiden.
    Ich verzog das Gesicht. »Ich bin müde… Vielleicht bleibe ich doch zu Hause und lege mich schlafen.«
    »Oh nein, chère «, sagte sie und wirkte plötzlich aufgewühlt. »Ich brauche dich dort. Es ist ein besonderer Zirkel, einer, der dem ganzen Dorf paradiesische Zeiten bescheren wird. Du musst kommen. Du bist doch mein Glücksbringer.«
    »Wer kommt sonst noch?« Mühsam beugte ich mich vor und nahm eine Näharbeit aus dem Korb. Ich hatte damit begonnen, Babykleider, Babyhäubchen und Söckchen anzufertigen. Es war ein Mädchen, ich konnte sie fühlen. Im Moment arbeitete ich gerade an einer kleinen Decke für die Wiege.
    »Da wäre einmal Maman«, antwortete Melita.
    Ich warf Maman einen raschen Blick zu und sah, wie sie die Stirn runzelte. Sie war sich ebenfalls nicht sicher, was sie von Melitas Zirkel halten sollte.
    »Ouida«, fuhr Melita schmeichelnd fort. »Die magst du doch. Und unsere Cousine Sophie. Cousin Luc-André. Manon, die Tochter der Smiths.«
    »Das kleine Mädchen?«, fragte Maman.
    »Sie möchte häufiger an Zirkeln teilnehmen«, antwortete Melita. »Und dann noch, ähm…«
    Die Art, wie sie zögerte, ließ mich aufblicken. »Wer noch?«
    »Marcel«, räumte sie ein.
    Ich nickte und wandte mich wieder meiner Näharbeit zu. Marcel war ein Schatz. Er war so besorgt um das Baby. Schon Tausende Male hatte er mich gebeten, ihn zu heiraten. Ich mochte ihn wirklich und wusste, dass er einen großartigen Ehemann abgeben würde. Nur wollte ich eben keinen Ehemann. Er war sich so sicher gewesen, dass ich ihn heiraten würde, nachdem klar war, dass ich ein Kind bekommen würde. Aber warum sich die Mühe machen zu heiraten, wenn ich doch Maman und Melita hatte, die mir halfen?
    »Und noch einige andere«, unterbrach Melita meine Gedanken, während sie die klein gehackten Tomaten in eine Schüssel gab. »Es wird alles perfekt sein. Ich habe lange an diesem Zauber gearbeitet. Ich versichere dir, er wird allen Teilnehmern ein langes, gesundes Leben bescheren.«
    »Woher willst du das so genau wissen?«, fragte Maman.
    Melita lachte. »Ich habe ihn so kreiert. Vertraut mir.«
    7
    Bei Sonnenuntergang verließen Maman und ich unser kleines Haus und spazierten zu dem Ort, von dem Melita uns erzählt hatte, tief in den Wäldern, nicht weit vom Fluss entfernt. Ich hatte mich ausgeruht und fühlte mich gut und gesund. Ich konnte es nicht erwarten, dass die zwei Monate endlich vorüber waren und ich mein kleines Mädchen kennenlernen würde. Würde sie helle oder dunkle Augen haben? Eine helle Haut oder eine warme Bräune? Ich freute mich auf ihr properes Aussehen und ihre makellose Babyhaut. Maman hatte viele Kinder entbunden, und ich wusste, dass es schwer werden würde, aber nicht schrecklich. Und Melita würde helfen.
    »Hier durch«, sagte Maman und schob eine Geißblattranke beiseite. Ihre durchdringende Süße verströmte einen intensiven Duft, der mir die Lungen füllte. Es war heiß, unsere Kleidung war feucht, doch abgesehen davon schien alles in Ordnung zu sein.
    Wir erreichten eine kleine Lichtung vor einem Eichenbaum, den Melita als den größten in ganz Louisiana bezeichnet hatte.
    »Heilige Mutter«, hauchte Maman, während sie den Baum betrachtete.
    Ich lachte, als ich ihn erblickte. Er reichte bis in den Himmel und war größer als jeder Baum, den ich je zu Gesicht bekommen hatte. Er hatte einen so gewaltigen Umfang, dass ihn selbst fünf Leute, die sich an den Händen fassten, nicht hätten umspannen können. Ein ehrfurchtgebietendes Monument, das uns vor Augen
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