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Ein Ring aus Asche

Ein Ring aus Asche

Titel: Ein Ring aus Asche
Autoren: Cate Tiernan
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ab und befahl ihm, zu gehen. Wenigstens so viel Thai hatte sie gelernt. Sehr nützlich. Während der Kerl sich völlig perplex anzog, ließ Claire den Kopf hängen. Sie war so sauer, dass sie kaum atmen konnte. Eine Alkflasche war dicht neben ihr zu Bruch gegangen. Ihr blanker Fuß berührte die klebrige Pfütze, und der Alkohol brannte in ihren Schnitten, doch all das war unwichtig.
    Erneut versuchte Pak etwas zu sagen, doch sie winkte unwillig ab. Sie würde nicht weinen. Claire weinte nie, doch sie wünschte fast, sie könnte es jetzt. In wenigen Augenblicken musste sie aufstehen, ein paar Dinge zusammensuchen, sich ein Taxi holen und zum Flughafen fahren. Sie würde nach New Orleans reisen. Und wenn sie erst einmal dort angekommen war, würde sie dafür sorgen, dass Daedalus nie, nie wieder mit ihr spielte.

Kapitel 33
    Ein mächtiger Beschwörungszauber
    Marcel träumte. In seinem Traum kümmerte er sich um einen Garten in Louisiana, in der Nähe eines Flusses. In Louisiana gab es überall Wasser, überall Flüsse, so wie in Amsterdam Kanäle. Als er noch jung war, hatten die Menschen Flüsse sehr viel häufiger befahren als durchfurchte, schlammige Straßen.
    Es gab zwei Arten von Flüssen. Die einen waren von einem trüben Grün, mit warmem, langsam dahinfließendem Wasser. Die anderen waren klar, hatten eine rötliche Färbung und kaltes Wasser, das schnell strömte. Beide eigneten sich gut zum Schwimmen, man konnte aus ihnen trinken oder Fische fangen. Hier in Irland aß Marcel genau wie zu Hause viele Meeresfrüchte, trotz des abweichenden Klimas. Krabben und Krebse zum Beispiel sowie alle Arten von Fisch. Das liebte er an Irland. Das viele Grün, das Wasser. Wie zu Hause.
    In seinem Traum arbeitete Marcel in dem Garten. Als er aufsah, erblickte er ein langes Auslegerkanu, das langsam flussabwärts glitt. Es musste sich irgendwo gelöst haben. Marcel watete durch den glitschigen Uferbereich und versuchte den knotigen Luftwurzeln auszuweichen, die aus dem Wasser ragten. Er griff sich einen langen Ast und hakte ihn mit der Spitze in das eine Ende des flachen Bootes ein. Er würde es an Land ziehen, festbinden und herausfinden, wem es gehörte. Das Kanu stieß gegen Wurzeln und schrammte mit dem Heck über das Ufer. Marcel beugte sich herunter, um nach dem losen Tau zu greifen. Wie erstarrt hielt er inne. Im Inneren des Boots lag eine Leiche. Atemlos zog er es näher zu sich heran. Es war ein Mädchen, von nicht mal zwanzig Jahren. Friedlich und mit geschlossenen Augen lag sie da, die Arme über der Brust gekreuzt. Sie sah aus, als würde sie schlafen, nur dass sie ungewöhnlich bleich war und ihre Lippen und Fingerspitzen eine bläuliche Färbung aufwiesen.
    Jetzt erst bemerkte er, dass sie vollkommen durchnässt war, ihr Kleid an ihr klebte und ihr schwarzes Haar nur so an ihr herunterfloss. Leuchtend rot flammte das Muttermal auf Cerises Wangenknochen.
    Cerise? Nein… Natürlich nicht. Cerise war blond gewesen. Doch wenn sie schwarze Haare gehabt hätte, hätte sie genau wie dieses Mädchen ausgesehen. Doch es war ertrunken. Und Cerise bei der Geburt gestorben.
    Wer war sie? Marcel streckte seine zitternde Hand nach ihr aus…
    Das kleine, hohe Fenster explodierte ins Innere seiner Mönchszelle und zersprang in tausend Splitter. Dort, wo die Scherben sein Gesicht und seine Hände streiften, hinterließen sie feine rote Linien.
    Marcel fuhr hoch und brach sofort in kalten Schweiß aus. In seinem Zimmer herrschte pechschwarze Dunkelheit. Eisige Luft strömte durch die kleine Fensteröffnung herein und breitete sich überall um ihn herum aus. Sein Herz klopfte, und plötzlich traf es ihn wie ein Schlag: die Gewissheit, was dies zu bedeuten hatte. Was Daedalus getan hatte.
    »O h Gott.« Marcel stöhnte und schlug sich die Hände vors Gesicht. Er fühlte das warme, klebrige Blut. Feine Glassplitter pikten ihn, doch das war egal. Aus Amerika hatte Daedalus ein samtenes Seil um seinen Hals geschlungen. Gleich würde er daran ziehen, und es gab nichts, was Marcel dagegen tun konnte. Alles in ihm drängte nach Amerika. Er hatte das Gefühl, seine Haut würde aufplatzen und Spinnen über seinen Körper schwärmen, wenn er nicht schnellstens dorthingelangte. Er musste los, schnell, schnell, schnell.
    So also fühlte sich ein mächtiger Beschwörungszauber an. Er ließ einen in Panik geraten, jede Sekunde der Verzögerung wie Folter erscheinen. Bis er Louisiana nicht betreten hatte, würde er sich fühlen, als habe
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