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Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben

Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben

Titel: Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben
Autoren: Charles Bukowski
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darüber, damit es nicht ganz umsonst war.
    Ich bekam einen Brief, ich bekam zwei Briefe, lange Briefe. Ich sei ein Genie, stand da drin, ich sei aufregend, ich sei ein Gott. Ich las diese Briefe, wieder und wieder, und dann trank ich mir einen an und schrieb einen langen Antwortbrief. Ich schickte weitere Gedichte. Ich schrieb jeden Abend Gedichte und Briefe, ich war randvoll mit Bullshit.
    Die Herausgeberin, die auch irgendwie schriftstellerisch tätig war, begann mir Fotos von sich zu schicken, und sie sah gar nicht mal übel aus. Ihre Briefe wurden nach und nach persönlich. Sie schrieb, keiner wolle sie heiraten. Ihr Mitherausgeber, ein junger Kerl, habe gesagt, er werde sie heiraten, wenn er die Hälfte ihrer Erbschaft kriege, aber sie habe gar kein Geld, die Leute würden nur denken, sie habe welches. Der Mitherausgeber riß dann später einige Zeit in einer Irrenanstalt ab.
    »Keiner will mich heiraten«, schrieb sie immerzu, »Ihre Gedichte werden alle in unserer nächsten Nummer erscheinen, es wird eine Chinaski-Sondernummer sein, und keiner will mich heiraten, keiner, wissen Sie, ich habe einen steifen Hals, ich kam schon damit auf die Welt. Ich werde nie einen Mann finden.«
    Eines Abends hatte ich schwer einen sitzen. »Vergiß es«, schrieb ich ihr. »Ich werde dich heiraten. Vergiß das mit dem Hals. Ich bin auch nicht gerade der Schönste. Du mit deinem Hals und ich mit meinem ramponierten Gesicht – ich kann uns beide so richtig sehen, wie wir zusammen die Straße runtergehen!«
    Ich steckte das Ding in den Briefkasten und dachte nicht mehr daran. Ich trank noch eine Dose Bier und ging zu Bett.
    Dann kam ihr Brief: »Ach, ich bin ja so glücklich! Alle sehen mich an und sagen ›Niki, was ist mit dir los? Du STRAHLST, du bist wie verwandelt!!‹ Aber ich verrate es ihnen nicht! Ach Henry, ICH BIN JA SO GLÜCKLICH!«
    Sie legte einige Fotos bei, auf denen sie besonders häßlich aussah. Ich kriegte es mit der Angst. Ich ging los und besorgte mir eine Flasche Whisky. Ich sah mir die Fotos an, ich trank den Whisky. Ich warf mich auf den Teppich:
    »O Gott beziehungsweise Herr Jesus, was habe ich getan? Was habe ich getan? Na, ich sag euch eins, Boys: ich werde den Rest meines Lebens darauf verwenden, diese arme Frau glücklich zu machen! Es wird die Hölle sein, aber ich bin hart im Nehmen, und außerdem: Was gibt es Schöneres, als in der Gewißheit zu sterben, daß man einen anderen Menschen glücklich gemacht hat?«
    Ich stand wieder von meinem Teppich auf. Was ich da zuletzt gesagt hatte, war mir nicht so recht geheuer …
    Eine Woche danach stand ich vor dem Busbahnhof und wartete auf sie. Ich war betrunken und wartete auf einen Bus aus Texas.
    Der Bus wurde ausgerufen, und ich machte mich innerlich bereit zum Sterben. Ich sah mir die Leute an, die herauskamen, und suchte nach einer Ähnlichkeit mit den Fotos. Und dann sah ich eine junge Blondine, 23, gute Beine, munterer Gang, und ein unschuldiges Gesicht mit einem leicht aufmüpfigen Ausdruck, keck würde man das vermutlich nennen, und das mit dem Hals war eigentlich gar nicht so schlimm. Ich war damals 35.
    Ich ging zu ihr hin.
    »Niki?«
    »Ja.«
    »Ich bin Chinaski. Komm, gib mir deinen Koffer.«
    Wir gingen raus auf den Parkplatz.
    »Ich habe drei Stunden gewartet, ich war nervös und fickrig, es war die reine Hölle. Mir blieb nichts anderes übrig, als in der Bar einige Gläser zu trinken.«
    Sie legte die Hand auf die Motorhaube.
    »Der Motor ist ja noch heiß. Du gemeiner Kerl, du bist gerade erst angekommen!«
    Ich lachte. »Stimmt. Hast recht.«
    Wir stiegen in die alte Karre und fuhren zu mir nach Hause. Bald danach heirateten wir in Vegas, und dafür und für die Busfahrt zurück nach Texas ging mein letztes Geld drauf.
    Als ich mit ihr in den Bus stieg, hatte ich noch ganze 35 Cents in der Tasche.
    »Ich weiß nicht, ob das Papa gefallen wird, was ich da gemacht habe«, sagte sie.
    »O Gott, o Jesus«, betete ich, »hilf mir stark zu sein, hilf mir tapfer zu sein!«
    Sie drückte sich an mich und schäkerte und schmuste die ganze Strecke bis zu dieser Kleinstadt in Texas. Wir kamen morgens um 2.30 Uhr an, und beim Aussteigen war mir, als hörte ich den Busfahrer sagen: »Was hast du denn da für’n Penner dabei, Niki?«
    Wir standen auf der Straße, und ich sagte: »Was hat dieser Busfahrer da gesagt? Was hat er zu dir gesagt?«, und ich klimperte mit meinen 3 5 Cents in der Tasche.
    »Er hat überhaupt nichts gesagt. Los, komm
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