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Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben

Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben

Titel: Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben
Autoren: Charles Bukowski
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Türsummer ertönte, und ich ging hinter Pepper rein und stellte meinen Koffer unten neben der Treppe ab.
    »Baby!« begrüßte er sie oben auf der Treppe, »was für eine Freude, dich zu sehn!«
    Er war ziemlich alt und hatte nur noch einen Arm. Er legte den Arm um sie und küßte sie.
    Dann sah er mich.
    »Wer ist dieser Kerl?«
    »Oh, Willie, ich möchte dir einen Freund von mir vorstellen. Das hier ist der Kid.«
    »Tach«, sagte ich.
    Er gab mir keine Antwort.
    »Der Kid? So jung sieht er mir aber gar nicht aus.«
    »Kid Lanny. Er hat früher unter dem Namen Kid Lanny geboxt.«
    »Kid Lancelot«, sagte ich.
    Wir gingen in die Küche, und Willie brachte eine Flasche zum Vorschein und gab uns was zu trinken. Wir setzten uns an den Tisch.
    »Wie gefallen Ihnen die Vorhänge?« fragte er mich. »Diese Vorhänge haben die Girls für mich gemacht. Die Girls haben eine Menge Talent.«
    »Die Vorhänge gefallen mir«, sagte ich.
    »Mein Arm wird steif, ich kann kaum noch die Finger bewegen. Ich glaube, ich werde bald sterben, die Ärzte kommen nicht dahinter, was mit mir los ist. Die Girls denken, ich mache Witze, die Girls lachen mich aus.«
    »Ich glaube Ihnen«, sagte ich zu ihm.
    Es gab weitere Drinks.
    »Sie gefallen mir«, sagte Willie, »Sie sehen aus, als wären Sie viel rumgekommen. Sie sehen aus, als hätten Sie Klasse. Die meisten Menschen haben keine Klasse. Sie haben Klasse.«
    »Von Klasse weiß ich nichts«, sagte ich, »aber rumgekommen bin ich schon.«
    Die Gläser wurden wieder nachgefüllt, und wir gingen damit ins Wohnzimmer. Willie setzte sich eine Schiffermütze auf, ging an eine Orgel und spielte Orgel mit seiner einen Hand. Es war eine sehr laute Orgel.
    Überall auf dem Boden lagen Vierteldollar- und 10-Cent- und 5-Cent-Stücke und Pennies herum. Ich stellte keine Fragen. Wir saßen da und tranken und hörten uns sein Orgelspiel an. Als er fertig war, klatschte ich ein bißchen Beifall.
    »Neulich abends waren die ganzen Girls hier oben«, erzählte er mir, »und dann brüllte jemand RAZZIA!, und Sie hätten mal sehen sollen, wie die gerannt sind, manche hatten nur Schlüpfer und BHs an, und manche waren ganz nackt, und sie rannten alle raus und versteckten sich in der Garage. Es war zum Totlachen! Ich saß hier oben, und sie kamen eine nach der anderen wieder an, aus der Garage. Das war vielleicht ein Spaß!«
    »Wer hat denn RAZZIA gebrüllt?« fragte ich.
    »Das war ich«, sagte er.
    Dann stelzte er in sein Schlafzimmer, zog sich aus und legte sich ins Bett. Pepper ging rein und küßte ihn und redete mit ihm, während ich draußen herumging und die Münzen vom Boden aufsammelte.
    Als sie herauskam, machte sie mir Zeichen, zeigte die Treppe runter. Ich stieg die Stufen hinunter und holte meinen Koffer.
7
    Wenn er morgens diese Schiffermütze aufsetzte, diese Kapitänsmütze, dann wußten wir, daß es jetzt auf die Jacht ging. Er stellte sich vor den Spiegel und justierte das Ding, damit es im richtigen Winkel saß, und eins von den Girls kam zu uns ins Zimmer gelaufen und sagte:
    »Wir gehen raus auf die Jacht – Willie setzt seine Mütze auf!«
    Die Routine blieb sich immer gleich. Er kam raus, mit der Mütze auf dem Kopf, und wir folgten ihm hinunter in die Garage. Kein Wort wurde gesprochen.
    Er hatte einen alten Wagen. Das Modell war so alt, daß es noch einen Notsitz hatte.
    Die zwei oder drei Girls stiegen vorne bei Willie ein, sie hockten sich aufeinander, oder was weiß ich, irgendwie zwängten sie sich da rein. Pepper und ich setzten uns auf den Notsitz, und sie sagte: »Er fährt nur raus, wenn er nicht verkatert ist und nicht trinken will. Der Bastard mochte auch nicht, daß wir was trinken, also sieh dich vor!«
    »Verdammt, ich brauch aber einen Drink.«
    »Wir brauchen alle einen Drink«, sagte sie. Dann holte sie eine Flasche aus ihrer Handtasche, schraubte den Verschluß ab und gab sie mir rüber.
    »So, jetzt warte, bis er uns im Rückspiegel abgecheckt hat. Sobald er wieder auf die Straße sieht, nimmst du schnell einen Schluck.«
    Ich probierte es. Es klappte. Als wir nach San Pedro kamen, war die Flasche leer. Pepper steckte sich einen Kaugummi in den Mund, ich zündete mir eine Zigarre an, und wir stiegen aus.
    Es war eine sehr schöne Jacht. Sie hatte zwei Motoren, und Willie stand da und zeigte mir, wie man den Hilfsmotor anwarf, falls etwas schiefging. Ich stand da und nickte, hörte aber nicht zu. Irgendein Scheiß von wegen einer Schnur, an der man ziehen mußte, um
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