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Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Titel: Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
Autoren: Anne Perry
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Rathbone seine letzte Zeugin auf, Amity Herne. Sie erklomm den Zeugenstand mit Würde und bemerkenswerter Gelassenheit. Sie trug ein äußerst elegantes, dunkles Kleid, das nicht wirklich schwarz, eher von einem schattigen Bordeaux war. Es stand ihr, gerade weil es einen dramatischen Kontrast zu ihrem blonden Haar und ihrer hellen Haut bot. Wie bei ihrer ersten Vernehmung wies sie sich mit ihrem Namen aus und wurde daran erinnert, dass sie immer noch unter Eid stand.
    Rathbone entschuldigte sich für den neuerlichen Aufruf, Coniston erhob Einspruch, Pendock wies ihn ab und forderte Rathbone auf zu beginnen.
    »Danke, Mylord.« Rathbone hob den Kopf zu Amity. »Mrs Herne, Sie haben bei Ihrer ersten Vernehmung ausgesagt, dass Sie und Ihr Bruder, Joel Lambourn, einander in Ihrer frühen Jugend nicht gut kannten, weil Sie so weit voneinander entfernt lebten. Ist das zutreffend?«
    »Ja, leider«, antwortete sie leise.
    »Aber in den letzten ungefähr zehn Jahren wohnten Sie beide in London und konnten einander darum häufiger besuchen?«
    »Ja. Vielleicht einmal im Monat.«
    »Und Sie wussten natürlich von seiner Ehe mit Zenia Gadney?«
    »Ja. Dazu habe ich an diesem Ort doch schon einmal ausgesagt. Aus Gründen, die Ihnen eigentlich bekannt sein müssten, wollte ich die Angelegenheit diskret behandeln.«
    »Selbstverständlich. Aber Sie wussten Bescheid, und Ihnen war bekannt, dass Dinah Lambourn ebenfalls im Bilde war?« Rathbone zwang sich, sie höflich, ja sanft zu behandeln.
    »Ja. Wie ich schon gesagt habe.«
    »Ihr Bruder wusste, wo Zenia lebte?«
    »Natürlich.« Sie gab sich verwirrt und leicht verärgert.
    Rathbone lächelte. »Hat er das Ihnen gegenüber jemals erwähnt?«
    Sie zögerte. »Nicht … ausdrücklich, soweit ich mich erinnere.«
    »Ganz allgemein womöglich? Zum Beispiel, dass es im Limehouse-Viertel war?«
    »Ich …« Sie deutete ein Schulterzucken an. »Ich bin mir nicht sicher.«
    »Ich frage deshalb, weil Dinah immerhin so viel über Zenias Aufenthaltsort wusste, dass sie sich nach der Copenhagen Place erkundigte. Sie irrte nicht auf der Suche nach ihr durch halb London, sondern steuerte praktisch auf Anhieb die richtige Straße an.«
    »Dann muss Joel es erwähnt haben«, erwiderte Amity. »Mir scheint, Sie haben Ihre Frage selbst beantwortet, Sir.«
    »Es sieht demnach so aus, als hätte er kein Geheimnis um Zenias Aufenthalt gemacht«, schloss Rathbone. »Sind Sie sicher, dass Sie es nicht wussten? Oder Ihr Mann vielleicht? Könnte Ihr Bruder es Ihrem Mann anvertraut haben, möglicherweise für den Fall, dass ihm etwas zustieß und er darauf angewiesen war, dass jemand, dem er vertrauen konnte, Zenia an seiner Stelle versorgte?«
    Sie sog scharf die Luft ein, als wäre ihr soeben ein schrecklicher Gedanke in den Sinn geschossen. Sie starrte Rathbone entsetzt an.
    »Vielleicht … ja!« Sie benetzte sich die Lippen. Ihre Hände krallten sich um das Geländer.
    Im Gerichtssaal knisterte die Luft vor Spannung. Die Blicke der Geschworenen bohrten sich in Amity.
    »Aber speiste er nicht an dem Abend, an dem Ihr Bruder ermordet wurde, im Athenäum?«
    »Doch, ja«, bestätigte sie mit etwas heiserer Stimme. »Zahllose Gentlemen werden Ihnen das bezeugen.«
    »Nun gut. Und in der Nacht, als Zenia Gadney umgebracht wurde, wo war er da?«
    »Ich …« Amity biss sich auf die Lippe. Sie zitterte, doch sie wandte die Augen nicht eine Sekunde von Rathbone ab. »Ich habe keine Ahnung. Zu Hause war er nicht, das ist alles, was ich sagen kann.«
    Überall erhob sich ein Rascheln und Husten. Niemand konnte stillhalten. Jeder reckte den Hals, um die Zeugin möglichst vollständig sehen zu können. Die Geschworenen rutschten hin und her. Ein Mann fischte nach seinem Taschentuch und schnäuzte sich ausgiebig.
    Coniston starrte Rathbone an, als hätte dieser vor seinen Augen plötzlich die Gestalt gewechselt.
    »Sie wissen nicht, wo er war, Mrs Herne?«, wiederholte der Anwalt.
    »Nein …« Ihre Stimme flackerte. Jäh schlug sie sich die Hand vor den Mund. Sie schluckte. Fast hilflos starrte sie Rathbone an.
    »Mrs Herne …«, begann er.
    »Nein!«, schrie sie und fuchtelte hektisch. »Nein. Sie können mich nicht zwingen, mehr zu verraten! Er ist mein Mann!« Sie wirbelte zu Pendock herum. »Mylord!«, flehte sie. »Er kann mich doch sicher nicht zwingen, gegen meinen Mann auszusagen, nicht wahr?«
    Das war der verzweifelte Aufschrei einer Frau zur Verteidigung des Mannes, dem sie ihr Leben und ihre Treue
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