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Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Titel: Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
Autoren: Anne Perry
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schien sie den Schatten um seine Augen zu bemerken. Ihre Hand flog zum Mund. »Himmel!« Die andere Hand suchte instinktiv nach dem kleineren ihrer Kinder und hielt es fest. »Das … das is’ doch nich’ sie, oder?«
    »Das kann ich leider nicht ausschließen«, erwiderte Monk. »Es tut mir leid.«
    Die Frau hob ihren kleinen Jungen hoch und presste ihn fest an sich. Er mochte an die zwei Jahre alt sein. Das Kind spürte ihre Angst und begann zu weinen.
    »Wo genau wohnt sie?«, fragte Monk.
    Die Frau deutete mit dem Kinn auf das Haus links gegenüber. »Nummer vierzehn.«
    »Hat sie Angehörige?«
    »Ich hab nie welche gesehen. Sie war sehr ruhig. Hat nie jemand gestört.«
    »Wer könnte noch über sie Bescheid wissen?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht Mrs Higgins aus Nummer zwanzig. Ich hab sie ein-, zweimal miteinander reden sehen.«
    »Wissen Sie, ob sie irgendwo gearbeitet hat?«
    »Geht mich nix an. Ich kann Ihnen nich’ helfen.« Sie umklammerte das Kind noch fester und wandte sich zur Tür.
    »Vielen Dank.« Monk trat einen Schritt zurück, dann entfernten er und Orme sich. Sie hatten keine weiteren Fragen an die Frau.

2

    »Sir Oliver?«, fragte der Richter.
    Oliver Rathbone erhob sich und trat in die Mitte der freien Fläche des Gerichtssaals, die fast so etwas wie eine Arena war. Hinter ihm befand sich die Zuschauergalerie, links von ihm waren die Geschworenen auf ihren in zwei Reihen angeordneten, hohen Stühlen postiert, und vor ihm saß der Richter auf seinem mächtigen handgeschnitzten Stuhl wie auf einem Thron. Hinter ihm ragte der Zeugenstand auf, ein vom übrigen Saal getrennter kleiner Turm, zu dem eine Treppe emporführte.
    Hier hatte Rathbone, einer der brillantesten Anwälte Englands, fast sein ganzes Erwachsenenleben lang große Prozesse geführt. Normalerweise war ihm jeder Fall eine Herzensangelegenheit, egal, ob er als Verteidiger oder Kläger auftrat. Oft ging es um Leben oder Tod. Heute setzte er sich für die Verteidigung eines Angeklagten ein, obwohl er nicht ganz sicher war, ob sein Mandant wirklich unschuldig war. Das bereitete ihm ein selten empfundenes Gefühl der Leere. Er konnte einfach keine innere Erregung aufbringen, keine leidenschaftliche Anteilnahme. Diesmal würde er nicht mehr als kompetent sein, und das war weit davon entfernt, seinen Ansprüchen an sich selbst zu genügen.
    In letzter Zeit war bei ihm ohnehin nur sehr wenig gut verlaufen. Seit dem Fall Ballinger und den unglücklichen Entscheidungen, die zum endgültigen Zerwürfnis mit seiner Frau Margaret geführt hatten, schien ihm alles, was für ihn zählte, aus den Fingern geglitten zu sein.
    Er zwang sich, seine Konzentration auf den Zeugen zu richten und sich noch einmal die Einzelheiten von dessen Aussage vor Augen zu führen, um sie dann eine nach der anderen an ihren schwachen Punkten zu zerpflücken, bis sich der Mann in Widersprüche verwickelte. Seine Absicht war es, den Zeugen vor den Geschworenen als doppelzüngig und unzuverlässig darzustellen.
    Seine Taktik ging auf. Und da für heute keine weiteren Zeugen vorgesehen waren, wurde die Sitzung vertagt. Rathbone fuhr sogleich mit einem Hansom nach Hause, wo er für seine Verhältnisse früh eintraf. Es war einer dieser friedlichen, stillen Abende des sich über das Land senkenden Winters, dessen Stürme und klirrende Kälte noch bevorstanden. Als er aus der Kutsche stieg und den Fahrer bezahlte, war die Luft ein wenig kühl. Noch hingen die letzten Chrysanthemenblüten im Garten des Nachbarn schwer an den Ästen, und im Vorbeigehen umfing ihn ihr erdiger Geruch.
    Vor einem Jahr wäre er nur zu froh gewesen, so früh daheim zu sein und zusätzliche Zeit zur Verfügung zu haben. Aber das war noch vor dieser ganzen Sache mit den Booten auf dem Fluss mit ihren obszönen Vergnügungen und dem vielfachen Missbrauch von Kindern gewesen, der am Ende zu Mord geführt hatte.
    Er und Margaret waren glücklich gewesen – ja, ihre Gefühle waren mit jeder Woche gewachsen. Zwischen ihnen hatte es eine Zärtlichkeit, ein Verständnis gegeben, die jede Sehnsucht stillten, die er in seinem früheren Leben gehabt hatte, ohne sie sich je einzugestehen.
    Als er nun durch die Vordertür in die Eingangshalle trat und der Butler ihm Hut und Mantel abnahm, spürte er das auf dem Haus lastende Schweigen.
    »Guten Abend, Sir Oliver.« Sein Diener war wie immer die Höflichkeit in Person.
    »Guten Abend, Ardmore«, antwortete Rathbone automatisch. Der Butler, die Köchin und die
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