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Ein Ort für die Ewigkeit

Ein Ort für die Ewigkeit

Titel: Ein Ort für die Ewigkeit
Autoren: Val McDermid
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wartete gespannt.
    Zum ersten Mal sprach Hawkin, und man hörte sofort, daß ihm der Dialekt der Gegend um die Peaks in Derbyshire völlig fremd war. »Natürlich, natürlich. Kommen Sie herein, meine Herren. Ich bin sicher, sie wird gesund und munter wieder auftauchen, aber es kann kein Schaden sein, sich an die korrekte Verfahrensweise zu halten, nicht wahr?« Er legte eine Hand auf Ruths Rücken und schob sie zurück ins Haus. Sie schien benommen, jedenfalls nicht in der Lage, die Initiative zu ergreifen. »Es tut mir leid, daß Sie an so einem kalten Abend gerufen wurden«, fügte Hawkin gewandt hinzu und ging durch den Raum.
    George folgte Lucas und Grundy über die Schwelle in die Küche des Hauses. Der Boden war mit Steinplatten belegt, die Wände aus rauhem Stein waren mit weißer Temperafarbe gestrichen, die ungleichmäßig nachgedunkelt war, je nach Nähe zum holzbefeuerten Ofen und dem Elektroherd. Eine Anrichte und mehrere Schränke in verschiedener Höhe, alle grün gestrichen wie Möbel in einem Krankenhaus, standen an den Wänden, und zwei tiefe Steinspülbecken waren unter den Fenstern mit Ausblick auf das Ende des Tals befestigt. Durch zwei weitere Fenster sah man die Dorfwiese und die Telefonzelle, die sich leuchtend von der Dunkelheit abhob. Verschiedene Pfannen und Küchenutensilien hingen von den schwarzen Balken, die im Abstand von etwas mehr als einem Meter durch den Raum liefen. Es roch nach Rauch, Kraut und Schmalz.
    Ohne auf die anderen zu warten, setzte sich Hawkin sofort auf einen geschnitzten Stuhl am Kopfende eines geschrubbten Holztischs. »Mach den Männern einen Tee, Ruth«, sagte er.
    »Das ist sehr nett von Ihnen, Sir«, warf George ein, als die Frau den Kessel vom Herd hob. »Aber es wäre mir lieber, wir würden zur Sache kommen. Wenn ein Kind vermißt wird, wollen wir keine Zeit verlieren. Mrs. Hawkin, wenn Sie sich setzen und uns sagen würden, was Sie wissen.«
    Ruth sah zu Hawkin hinüber, als bitte sie ihn um Erlaubnis. Seine Augenbrauen zuckten nach oben, aber er nickte zustimmend. Sie zog einen Stuhl heran, ließ sich darauf nieder und verschränkte die Arme vor sich auf dem Tisch. George setzte sich ihr gegenüber und Lucas daneben. Grundy knöpfte seinen Mantel auf und nahm auf dem anderen geschnitzten Stuhl Hawkin gegenüber Platz. Er zog sein Notizbuch aus der Uniformjacke, schlug es auf, leckte am Bleistift und sah erwartungsvoll auf.
    »Wie alt ist Alison, Mrs. Hawkin?« fragte George behutsam.
    Die Frau räusperte sich. »Dreizehn. Sie hat im März Geburtstag.« Ihre Stimme klang brüchig, als zerberste etwas in ihr.
    »Und hatte es Streit zwischen Ihnen gegeben?«
    »Sachte, sachte, Kommissar«, protestierte Hawkin. »Was meinen Sie damit – Streit? Was soll das heißen?«
    »Das soll gar nichts heißen, Sir«, erwiderte George. »Aber Alison ist in einem schwierigen Alter, und manchmal erscheinen jungen Mädchen die Dinge viel schlimmer, als sie sind. Ein ganz normaler Rüffel kann ihnen wie das Ende der Welt vorkommen. Ich versuche nur festzustellen, ob es Gründe gibt anzunehmen, daß Alison weggelaufen ist.«
    Hawkin lehnte sich stirnrunzelnd zurück, griff hinter sich und balancierte seinen Stuhl auf zwei Beinen. Er nahm ein Päckchen Embassy und ein kleines Chromfeuerzeug von der Anrichte und zündete sich eine Zigarette an, ohne sonst jemandem eine anzubieten. »Natürlich ist sie weggelaufen«, sagte er, und ein Lächeln ließ seine Augenbrauen weniger streng erscheinen. »Teenager tun das eben. Sie tun es, damit man sich sorgt oder um sich für irgendeine eingebildete Kränkung zu rächen. Sie wissen doch, was ich meine«, fuhr er fort und schloß mit der Miene eines erfahrenen Mannes mit gesundem Menschenverstand die Polizeibeamten in seine Überlegungen ein. »Weihnachten steht vor der Tür. Ich erinnere mich noch, einmal war ich stundenlang verschwunden. Ich dachte, meine Mum würde so froh sein, wenn ich wohlbehalten wieder zu Haus wäre, daß sie sich überreden lassen würde, mir zu Weihnachten ein Fahrrad zu kaufen.« Er lächelte reuig. »Alles, was ich gekriegt habe, war ein versohlter Hintern. Sie werden sehen, Kommissar, sie wird vor morgen früh dasein und einen Willkommensschmaus erwarten.«
    »So ist sie nicht, Phil«, sagte Ruth klagend. »Ich sage dir, etwas ist ihr zugestoßen. Sie würde uns doch nicht solche Sorgen machen.«
    »Was ist heute nachmittag geschehen, Mrs. Hawkin?« fragte George, nahm seine eigenen Zigaretten heraus und
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