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Ein neues Paradies

Titel: Ein neues Paradies
Autoren: Hans Dominik
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»Schwefel und Eisen und Phosphor im Beefsteak! Das ist ja eine üble Panscherei.«
    »Schwefel und Eisen und Phosphor stecken in jedem natürlichen Beefsteak und in jedem tierischen Körper«, unterbrach ihn Erich. »Ihr selbst, alter Herr, habt von alledem einige Pfunde im Leib und führt Euch mit jedem Beefsteak mehr davon zu. Wenn ich aber mein erstes künstliches Beefsteak fertiggestellt habe, seid Ihr dazu eingeladen.«

7
    Erich Lamberg war in sein Examen gestiegen und hatte den Doktor der Chemie summa cum laude gemacht. Seine Doktorarbeit hatte sich mit den Eiweißstoffen befaßt, welche auch am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts der Chemie noch unüberwindliche Schwierigkeiten boten. Um diese Schwierigkeiten zu würdigen, müssen wir ein klein wenig auf die Besonderheiten der chemischen Struktur eingehen. Es ist ja seit den unvergeßlichen Forschungen des genialen Dalton vom Anfang des neunzehnten Jahrhunderts her bekannt, daß das Gefüge unserer Stoffe nicht bis in die Unendlichkeit gleichartig bleibt. Nehmen wir uns zur Erläuterung unserer Auseinandersetzungen ein Stückchen des bekannten blauen Kupfervitriols, das man ja in jeder Drogerie bekommen kann. Dalton argumentierte nun etwa folgendermaßen: Wenn ich mir ein solches Stück blauen Kupfervitriols vornehme und teile, so wird sich für meine physikalischen Hilfsmittel, beispielsweise für ein Messer oder eine Schere, ja sehr bald eine praktische Grenze finden. Im Geiste kann ich aber immerhin annehmen, daß ich über unendlich feine Messerchen verfüge und daß ich mein blaues Splitterchen unter einem unendlich starken, auf Erden nie existierenden Mikroskop immer weiter und immer weiter teile, zu immer kleineren und immer kleineren Partikelchen der blauen Masse gelange. Diese Annahme ergibt mir also Kupfervitriolteilchen von beliebiger Kleinheit.
    Aber, folgerte nun Dalton, diese Annahme ist nicht zulässig. Ich werde bei einer bestimmten Winzigkeit des Kupfervitriolsplitters eine Grenze erreichen, wo meine geistigen Messer nicht mehr schneiden. Ich werde an eine Grenze kommen, wo ich gewissermaßen vor einem Kupfervitriolindividuum stehe, welches sich mit derartigen mechanischen Mitteln nicht mehr teilen läßt.
    Nehmen wir zur Erläuterung ein Regiment Soldaten. Durch sein Kommandowort kann der Oberst das Regiment in Bataillonen auseinandermarschieren lassen. Durch sein Kommandowort kann er es in Kompanien und in Züge, ja in Rotten zerlegen. Die Rotte kann er schließlich in einzelne Soldaten teilen. Dann aber findet seine Kommandogewalt ein Ende. Wenn er dem einzelnen Soldaten Schulze befiehlt, auseinanderzugehen, so wird Schulze diesem Befehl nicht nachkommen können. Auch hier steht der Oberst dem einzelnen Individuum gegenüber, welches er mit seinen Mitteln des Kommandowortes, des Dienstbefehles nicht weiter teilen kann.
    Aber es gibt Mittel, die stärker sind als der Befehl eines Obersten, zum Beispiel eine krepierende feindliche Granate. Wenn eine solche in den Füsilier Schulze einschlägt, so wird er sofort auseinandergehen. Hier wird ein Bein und dort ein Arm liegen. Hier wird man den Rumpf und dort den Kopf finden.
    Dem einzelnen Soldaten des Regimentes entspricht nun im Kupfervitriol jenes kleinste, mit mechanischen Mitteln nicht mehr teilbare Individuum, welches wir ein Molekül nennen. Und auch hier haben wir stärkere Mittel, welche das Molekül ebenso zersprengen wie die Granate den Soldaten. Die Zerteilung des Soldaten ergab nicht mehr gleichartige Sachen, sondern ganz verschiedene Dinge, wie Arme, Beine und dergleichen. Die Soldatenmassen, die der Oberst durch sein Kommandowort teilte, waren immerhin gleichartige Soldaten. Nach dem Granatschuß finden wir plötzlich Trümmerstücke und Fleischfetzen, die kaum noch an einen Soldaten erinnern. Zersprengen wir unser blaues Kupfervitriolmolekül mit Hilfe der starken chemischen Mittel, so ist das Resultat auch ein überraschendes. Man sieht, daß es aus sechs ganz verschiedenen Dingen besteht. Wir finden ein allerkleinstes Teilchen des rotblanken Kupfermetalles, ein allerkleinstes Teilchen des gelben Schwefels und vier Teile eines luftförmigen Gases, des Sauerstoffes. Wie der Soldat sich aus zwei Beinen, zwei Armen, einem Rumpf und einem Kopf zusammensetzt, so besteht das Kupfervitriolmolekül aus vier Sauerstoffatomen, einem Schwefelatom und einem Kupferatom.
    Nachdem Daltons Anschauung allgemeine Anerkennung gefunden hatte, gingen die Chemiker des neunzehnten Jahrhunderts
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